§ 312 Abs. 1 BGB - Zwischenbilanz

Der Verfasser hat mehrfach (zuletzt WM 2016, 2011) auf den seit dem 13. Juni 2014 geänderten Wortlaut des § 312 Abs. 1 BGB hingewiesen, der die Vorschriften u.a. über außerhalb von Geschäftsräumen ("AGR") geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge auf Verbraucherverträge, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben, begrenzt.

Das stimmt mit der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU (VRRL) überein, die ihrerseits nur B2C-Verträge erfasst, nämlich Kauf- und Dienstleistungsverträge sowie Verträge über digitale Inhalte, die nicht auf einem körperlichen Datenträger gespeichert sind und über die Lieferung von Gas, Wasser oder Strom, wenn sie nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge zum Verkauf angeboten werden, oder von Fernwärme (vgl. u.a. Artt. 9 Abs. 2, 17 VRRL, Erwägungsgründe 5 und 19 Satz 2 VRRL). Der Wortlaut des Artikel 3 Abs. 1 VRRL und des Artikels 2 Nrn. 7 und 8 VRRL ist zu weit geraten und restriktiv jeweils so auszulegen, dass er sich nur auf diese von der VRRL erfassten Verträge bezieht. Nur so lassen sich im Hinblick auf die Artikel 6 - 16 VRRL stimmige Auslegungsergebnisse erzielen.

Während zum Wortlaut des § 312 Abs. 1 BGB zwei neuere Beiträge die Ansicht des Verfassers teilen, dass dieser nach herkömmlichen Auslegungskriterien die Stellung einer Verbraucher-kreditbürgschaft nicht umfasst, herrscht über die daraus zu ziehende Folgerungen noch Streit.

Von Kehl (WM 2018, 2018ff) wird die VRRL ganz anders, als eingangs dargelegt, ausgelegt und behauptet, Art. 2 Nr. 8 VRRL umfasse jegliche Verträge, also auch C2B Verträge, wie eine AGR abgeschlossene Verbraucherbürgschaft zu einem - nicht der VRRL unterliegenden -Kreditvertrag. Daher sei § 312 Abs. 1 BGB richtlinienkonform auf eine solche Verbraucher-Kreditbürgschaft analog anzuwenden. Dass die übrigen Vorschriften der VRRL auf die Verbraucherbürgschaft nicht passen, sei irrelevant. - Das überzeugt nicht und kann letztlich nur der EuGH entscheiden.

Demgegenüber interpretiert Schinkels (WM 2017, 113 ff) die VRRL ähnlich wie der Verfasser. Er konstatiert zutreffend den Normmangel für umgekehrte (C2B) Verbraucherverträge in der VRRL. Die Einschätzung der Dietzinger-Entscheidung des EuGHs (C-45/96 v. 17.3.1998) trifft ebenfalls zu. Bei der Frage, ob die Verbraucherkreditbürgschaft als Finanzdienstleistung anzusehen ist, bleibt das wichtigste Argument, ihre - auch vom EuGH betonte - Akzessorietät zum Kreditvertrag, unerörtert. Dass es rechtspolitisch Argumente für die Widerruflichkeit von AGR-Verbraucherkreditbürgschaften gibt, die nicht komplett von § 766 BGB abgedeckt werden, bedeutet indes nicht, dass eine solche offene Rechtsfortbildung der erst am 13. Juni 2014 eingeführten Regeln Sache der Rechtsprechung ist.

Nach Ansicht des Verfassers ist vielmehr der Gesetzgeber berufen, das rechtspolitisch von der h.M. geforderte Ergebnis aufzugreifen. Eine Möglichkeit dazu wäre die Schaffung eines neuen § 766 Abs. 2 BGB, der für den Fall, dass ein Bürgschaftsvertrag zwischen einem Verbraucher als Bürgen und einem Unternehmer als Gläubiger in einer von § 312b BGB erfassten Situation geschlossen wird, dem Bürgen ein Widerrufsrecht nach §§ 312g, 355 BGB gewährt.

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