Ablösungsrecht eingeschränkt, gesamte Sicherheitsregelung unwirksam!

Immer wieder gibt es vermeidbare Probleme mit Mängel- und Vertragserfüllungssicherheiten. Selbst bei isolierter Betrachtung noch wirksame Regelungen können bei Gesamtbetrachtung des vertraglichen Zusammenhangs unwirksam sein. Die Sicherheiten sind dann nur Scheinsicherheiten und werden von den Gerichten kassiert, wenn sie von den Baubeteiligten eigentlich am dringendsten benötigt werden. Dies musste jetzt wieder ein Auftraggeber erfahren (BGH, Urteil vom 30. März 2017 – VII ZR 170/16 –).

SACHVERHALT

Mit vom Auftraggeber gestelltem Bauvertrag hat dieser einen Rohbauer mit der Errichtung eines Anbaus an ein bestehendes Objekt beauftragt. Zur Mängelsicherheit haben die Bauvertragsparteien vereinbart:

„Die Parteien vereinbaren … den Einbehalt einer unverzinslichen Sicherheitsleistung durch den Auftraggeber in Höhe von 5 % der Brutto-Abrechnungssumme für die Sicherstellung der Gewährleistung … Der Auftragnehmer ist berechtigt, den Sicherheitseinbehalt gegen Vorlage einer unbefristeten, selbstschuldnerischen und unwiderruflichen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Versicherung abzulösen; frühestens jedoch nach vollständiger Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgestellten Mängel …“

Später klagt der Auftragnehmer seinen Restwerklohn einschließlich Sicherheitseinbehalt ein. Das Landgericht und das Oberlandesgericht weisen die Klage in Höhe des Sicherheitseinbehaltes ab. Der BGH gibt dem Auftragnehmer recht.

ENTSCHEIDUNG DES BGH

Der BGH geht davon aus, dass es sich bei dem vom Auftraggeber gestellten Bauvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handelt. Das Verlangen eines Sicherheitseinbehalts benachteiligt nach gefestigter Rechtsprechung des BGH den Auftragnehmer grundsätzlich unangemessen. Er hat bereits vollständig geleistet, erhält trotzdem nicht den vollen Werklohn und trägt somit das Bonitätsrisiko des Auftraggebers.

Ein Sicherheitseinbehalt kann in AGB deswegen nur wirksam vereinbart werden, wenn dem Auftragnehmer als Ausgleich eine Gegenleistung gewährt wird. Diese Gegenleistung kann in dem Recht des Auftragnehmers bestehen, den Sicherheitseinbehalt durch Bürgschaft abzulösen. Dass es sich dabei nicht um eine Bürgschaft auf erstes Anfordern handeln darf, hat sich inzwischen bis in die hintersten Winkel der Bauwirtschaft herumgesprochen und war auch im zu beurteilenden Fall unproblematisch.

Allerdings hat der Auftraggeber das Ablösungsrecht beschränkt. Es stand dem Auftragnehmer erst zu, wenn er zuvor sämtliche Abnahmemängel beseitigt hat. Weil sich dies gerade bei streitigen Mängeln über Jahre hinziehen kann, würde der Auftragnehmer über Jahre das Bonitätsrisiko des Auftraggebers tragen. Der BGH hält also die Ablösungsklausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB für unwirksam.

Nun regelt die Ablösungsklausel nicht das Recht zur Vornahme des Sicherheitseinbehalts, sondern nur die Modalitäten der Ablösung. Bei isolierter Betrachtung könnte also mit der ersten Klausel eine wirksame „Rumpfregelung“ übrigbleiben und der Auftragnehmer eben zur jederzeitigen Ablösung des Sicherheitseinbehalts berechtigt sein.

Nicht so mit dem BGH! Er sieht beide Klauseln in einem Regelungszusammenhang. Dementsprechend führt er eine Gesamtbetrachtung beider Klauseln durch. Danach „infiziert“ die unwirksame Ablösungsklausel den Rest, so dass beide Regelungen unwirksam sind. Der Auftraggeber musste also den nicht abgelösten Sicherheitseinbehalt auszahlen und steht für den Rest der Gewährleistungszeit ohne Sicherheit dar.

PRAXISHINWEISE

Bereits mit Blogbeitrag vom 13. Juli 2016 hatte ich auf die Gefahren hingewiesen, die sich aus der Gesamtschau für bei isolierter Betrachtung eigentlich (gerade noch) wirksamer Regelungen ergeben. Gerade für Auftraggeber ist es daher wichtig, zurückhaltend bei der Vertragsgestaltung zu sein.