Ausbildungsentschädigungen im Profi-Fussball auf dem Prüfstand: UPDATE – SV Wilhelmshaven erzielt ersten Etappensieg

Bereits im Juli berichteten wir über die nahende Entscheidung des u.a. für das Vereinsrecht zuständigen II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Fall des SV Wilhelmshaven gegen den Norddeutschen Fußball-Verband (NFV). Dort hatten wir auch den bisherigen Verfahrensgang bereits kurz skizziert.

Inzwischen liegt das Urteil des Bundesgerichtshofs in dieser Sache vor. Die Entscheidung fiel zwar pro SV Wilhelmshaven aus, welche Folgen das Urteil mit sich bringt, wird aber größtenteils erst die Zukunft zeigen.

DIE ENTSCHEIDUNG DES BGH

Mit Urteil vom 20.09.2016 hat der BGH entschieden, dass der Abstiegsbeschluss des NFV gegen den SV Wilhelmshaven in der Saison 2013/2014 nichtig war. Für den BGH war bei der Entscheidungsfindung allerdings – entgegen der Vorinstanz – ausdrücklich nicht von Bedeutung, ob Ziff. 20 des FIFA-Reglements gegen das Recht auf Freizügigkeit des Spielers nach Art. 45 AEUV verstößt. Die Nichtigkeit des Beschlusses werde nach Ansicht der Karlsruher Richter bereits dadurch begründet, dass hierdurch in unzulässiger Weise in die Mitgliedschaftsrechte des SV Wilhelmshaven eingegriffen wurde. Die Verhängung einer Disziplinarstrafe in Form des Zwangsabstiegs sei  in der Satzung des NFV schlicht nicht vorgesehen und hätte deshalb auch nicht verhängt werden können.

Ob sich aus den Satzungen des DFB oder der FIFA möglicherweise entsprechende Strafen ergeben, sei nicht von Bedeutung. Maßgebend sei allein die Satzung des NFV, da der SV Wilhelmshaven nur dort Mitglied sei – und eben nicht auch des DFB oder gar der FIFA.

KONSEQUENZEN

Die unmittelbaren, aus dem Urteil folgenden praktischen Konsequenzen für den SV Wilhelmshaven sind, wie eingangs erwähnt, nicht abzusehen. Fest steht nach der Entscheidung lediglich, dass dem Zwangsabstiegsbeschluss seinerzeit keine rechtliche Wirkung zukam.

Ungeklärt ist aber bislang insbesondere ob und, wenn ja, in welcher Höhe bzw. welchem Umfang dem SV Wilhelmshaven aus dem nichtigen Beschluss Schadensersatzansprüche erwachsen können.  Neben reinen Geldleistungen begehren die Jadestädter schließlich auch die Wiedereingliederung in den Regionalligaspielbetrieb. Die Beantwortung dieser Fragen dürfte eine weitere Prozesslawine nach sich ziehen. Dabei dürften vor allem Fragen der Kausalität und des Verschuldens im Vordergrund stehen.

Auch ausdrücklich nicht Gegenstand der Entscheidung war die Beantwortung der – zuvor viel diskutierten – Frage, ob die Wilhelmshavener zur Zahlung der Ausbildungsentschädigung verpflichtet waren. Eine mögliche Verletzung des Rechts auf Freizügigkeit des Spielers nach Art. 45 AEUV stand hierbei im Fokus. Dies sei nach Ansicht der BGH-Richter ggf. in einem auf Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche gerichteten Verfahren zu klären. Das Ausbildungsentschädigungssystem ist damit (noch) nicht gekippt. Auch diesbezüglich ist zu erwarten, dass es zu weiteren gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien kommt.

Ganz ohne Bedeutung bleibt das jetzige Urteil  des BGH jedoch für den NFV und andere Sportverbände dennoch nicht: NFV und andere Verbände sind gut beraten, ihre Satzungen und Ordnungen insbesondere hinsichtlich der Disziplinarmaßnahmen zu durchleuchten und ggf. nachzubessern, um einen zweiten „Fall Wilhelmshaven“ – und sich evtl. hieran anschließende Schadensersatzforderungen – zu vermeiden. Denn, so viel haben wir gelernt: Der Verweis auf den großen Verbandsbruder ist hier nicht ohne weiteres möglich!

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