Bundeskartellamt verhängt Bußgelder in Sanitär-Kartell

Das Bundeskartellamt hat im März 2016 Bußgelder in einer Gesamthöhe von rund 21,3 Mio. EUR wegen wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen gegen neun Großhändler und einen persönlich Betroffenen aus der Sanitär-, Heizungs- und Klimabranche verhängt.

Was wirft das Bundeskartellamt den Unternehmen vor?

Das Bundeskartellamt wird den Unternehmen vor, sich im Rahmen des Mittelstandskreises Nordrhein-Westfalen über mehrere Jahre bei der Kalkulation ihrer Bruttopreislisten und ihrer Verkaufspreise abgestimmt zu haben. Die Absprachen gingen auf die 1970er Jahre zurück. Sie seien von den Kartellbehörden zunächst nicht beanstandet worden. Mittelständische Unternehmen verfügten seinerzeit noch nicht über die technischen Möglichkeiten, für eine große Zahl von Produkten eigene Preiskalkulationen zu erstellen und in Katalogen abdrucken zu lassen. Nach Auffassung des Bundeskartellamtes ist diese technische Begründung aus den 1970er Jahren schon seit vielen Jahren überholt und damit entfallen. Die Unternehmen wären verpflichtet gewesen, ihr kartellrechtswidriges Verhalten neu zu bewerten und abzustellen.

Wie ist die Rechtslage?

Absprachen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen über die Preiskalkulation oder gar die Verkaufspreise selbst stellen schwerwiegende Wettbewerbsbeschränkungen dar, die gem. Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB verboten sind und mit Geldbußen von bis zu 10 % des Gesamtumsatzes des zuwiderhandelnden Unternehmens geahndet werden dürfen (vgl. § 81 GWB). Nach früherer kartellrechtlicher Rechtslage (§ 38 Abs. 2 GWB a.F.) waren hingegen sog. Mittelstandsempfehlungen, die von Vereinigungen kleiner oder mittlerer Unternehmen an ihre Mitglieder ausgesprochen wurden, weitgehend zulässig. Dies betraf z.B. auch Kalkulationsschemata. Die Zulässigkeit wirkte automatisch, sofern und sobald die Empfehlung bei der zuständigen Kartellbehörde anmeldet wurde.

Schon vor mehr als zehn Jahren wurde das System von Anmeldung und ausdrücklichen Freistellung wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen abgeschafft. Seitdem müssen die Unternehmen und ihre Geschäftsleistungen auf eigene Verantwortung prüfen, ob die geplante oder aber bereits seit Jahren oder Jahrzehnten praktizierte Vereinbarung (noch) die Voraussetzung für eine Freistellung vom Kartellverbot erfüllt (sog. Selbstveranlagung). Zudem wurden im deutschen Kartellrecht die zahlreichen typisierten Freistellungsmöglichkeiten weitgehend durch eine Generalklausel (§ 2 Abs. 1 GWB, welcher Art. 101 Abs. 3 AEUV entspricht) ersetzt, deren Grenzen im Einzelfall nur schwer zu fassen sind. Sichere Häfen bilden nur noch die von der EU-Kommission erlassenen Gruppenfreistellungsverordnungen, die aber rechtlich kompliziert sind und nicht immer klar erkennen lassen, was verboten und was erlaubt ist. Letztlich ist zu berücksichtigen, dass wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen von den Kartellbehörden heutzutage insgesamt kritischer gesehen und wesentlich konsequenter verfolgt werden als früher.

Wie hätten die Bußgelder vermieden werden können?

Gerade mittelständischen und kleineren Unternehmen sind die grundlegende Änderungen der kartellrechtliche Vorschriften und die generelle Pflicht zur Selbstveranlagung häufig noch nicht bekannt oder jedenfalls nicht bewusst. Eine rechtzeitige Überprüfung der langjährigen Praxis hätte im vorliegenden Fall Bußgelder sicherlich verhindern können.

Weitere Artikel zum Thema