Corona: COVInsAG und die Suspendierung der Insolvenzantragspflicht

Am 28.03.2020 ist mit Rückwirkung zum 01.03.2020 das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzunggesetz - „COVInsAG“) in Kraft getreten. Dies mit dem Ziel, insbesondere von der COVID-19-Pandemie betroffenen Unternehmen Zeit verschaffen und die Möglichkeit zu geben, Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen oder mit ihren Gläubigern in Verhandlungen einzutreten.

Blickt man derzeit in die Innenstädte oder in die Fenster von Restaurants zeigt sich zumeist nur eins – Dunkelheit. Vielleicht ist auch noch ein Schild mit der Aufschrift „Geschlossen“ aufgehängt.

Es verwundert daher nicht, dass derzeit viele Unternehmen aufgrund der Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie erhebliche Umsatzeinbrüche zu verzeichnen haben. Hierdurch dürften bei vielen jedenfalls Zahlungsschwierigkeiten entstehen. Zu vermuten ist jedoch, dass bei vielen Unternehmen darüber hinaus auch die Zahlungsunfähigkeit eintritt oder bereits eingetreten ist.

Zahlungsunfähigkeit liegt – anders als der Begriff vermuten lassen könnte – nicht erst dann vor, wenn keine Zahlungen mehr geleistet werden können. Vielmehr ist eine Zahlungsunfähigkeit bereits dann gegeben, wenn – vereinfacht gesprochen – 10 % der in den kommenden drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten nicht mit den in den kommenden drei Wochen zur Verfügung stehenden liquiden Mitteln bedient werden können. Folglich liegt auch dann eine Zahlungsunfähigkeit vor, wenn noch 90 % der Verbindlichkeiten bedient werden können.

Ein Insolvenzverfahren wird grundsätzlich nur auf Antrag eröffnet, nicht von Amts wegen. Gläubiger sind berechtigt, einen Insolvenzantrag zu stellen, der Insolvenzschuldner ist beim Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung hierzu verpflichtet. Der Insolvenzantrag des Insolvenzschuldners ist dabei ohne schuldhaftes Zögern, spätestens binnen drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu stellen. Im Falle einer Gesellschaft ist die Wahrung dieser Frist von besonderer Bedeutung, um die andernfalls drohende Haftung und Strafbarkeit der Organe abzuwenden.

Um eine Flutwelle von Insolvenzanträgen zu vermeiden, hat der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund im Eilverfahren ein Gesetz verabschiedet – das COVInsAG.

1. Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

Zentrale Regelung des COVInsAG ist die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30.09.2020. Es besteht die Option zur Verlängerung bis zum 31.03.2021 durch eine Rechtsverordnung des Bundesjustizministeriums.

Zugunsten der zur Antragstellung verpflichteten Unternehmen besteht derzeit grundsätzlich keine Insolvenzantragspflicht. Eine solche besteht nur, wenn die Insolvenzreife nicht auf der COVID-19-Pandemie beruht oder keine Aussichten bestehen, die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Allerdings wird derzeit vermutet, dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Das Gegenteil wäre von demjenigen zu beweisen, der sich auf einen Verstoß gegen die Antragspflicht beruft – mithin in aller Regel von dem Insolvenzverwalter.

Die durch diese Beweislastregelungen entstehenden Missbrauchsmöglichkeiten und Nachteile für die Gläubigergemeinschaft hat der Gesetzgeber dabei bewusst in Kauf genommen.

2. Einschränkung des Insolvenzantragsrechtes

Damit korrespondierend zu der fehlenden Antragspflicht ein Insolvenzverfahren nicht von einem Gläubiger erzwungen werden kann, wird das Antragsrecht der Gläubiger eingeschränkt. Die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung muss bei zwischen dem 28.03.2020 und 28.06.2020 gestellten Gläubigeranträgen bereits am 01.03.2020 vorgelegen haben.

3. Haftung der Organe

Die Haftung etwa nach § 64 S. 1 GmbHG für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife ist eigentlich sehr streng.

Das COVInsAG bringt insoweit Erleichterungen für die Organe, als dass nunmehr für die Übergangszeit bis zum 30.09.2020 alle Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit oder der Neuausrichtung im Rahmen einer Sanierung dienen, geleistet werden können, ohne direkt eine Haftung fürchten zu müssen.

4. Vereinfachung von Kreditgewährungen

Weiterhin sieht das COVInsAG Erleichterungen bei der Vergabe von Darlehen (und ähnlichen Gestaltungen) vor. Die Anfechtung der Rückzahlung von im Zeitraum vom 01.03.2020 bis 30.09.2020 gewährten Darlehen wird ausgeschlossen, sofern die Rückzahlung bis zum 30.09.2023 erfolgt.

Bezüglich Darlehen von Gesellschaftern ist zu erwähnen, dass diese nicht dem sonst geltenden Nachrang unterliegen. Normalerweise findet im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine Zahlung auf Gesellschafterdarlehen nicht statt, da diese erst bedient werden, wenn die Insolvenzgläubiger zu 100 % befriedigt wurden. Daher kommt das Wort „Nachrang“.

Die Regelungen des COVInsAG haben jedoch zur Folge, dass jetzt neu gegebene Gesellschafterdarlehen im Falle einer späteren Insolvenz neben den anderen Insolvenzforderungen befriedigt werden, der Gesellschafter also mit einem (Teil-) Rückfluss rechnen kann. Es muss sich allerdings um neu ausgereichte Kredite handeln, die auch bis zum 30.09.2023 zurückgeführt werden müssen. Die Besicherung von Gesellschafterdarlehen ist jedoch nicht privilegiert.

5. Anfechtungsausschluss

Nicht nur Kreditgeber, sondern auch andere Gläubiger sind durch das COVInsAG vor Anfechtungen geschützt, wenn ihnen nicht bekannt war, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung der eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Wichtig ist, dass sich der Gläubiger somit nicht davon überzeugen muss, dass der Insolvenzschuldner geeignete Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen entfaltet.

Der Anfechtungsausschluss bezieht sich jedoch nur auf sog. kongruente Sicherungen oder Befriedigungen, also solche, die der Gläubiger zu der Zeit und in der geleisteten Art auch verlangen konnte. Eine Ausnahme besteht jedoch z.B. für die Gewährung von Zahlungserleichterungen oder Zahlungen an Erfüllungs statt / erfüllungshalber. Auch diese sind unter den genannten Voraussetzungen nicht anfechtbar.

6. Fazit

Die Änderungen, die das COVInsAG vorsieht, sind aus Sicht der betroffenen Unternehmen zu begrüßen. Jedoch sollte allen Unternehmen bewusst sein, dass die Maßnahmen ihnen lediglich die Zeit geben sollen, um Lösungen für ihre finanzielle Lage zu finden. Denn der Zeitraum der Regelungen ist beschränkt, auch wenn grundsätzlich eine Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 31.03.2021 möglich ist. Die betroffenen Unternehmen müssen also die Zeit nutzen, die ihnen der Gesetzgeber eingeräumt hat, und ein individuelles Sanierungskonzept ausarbeiten, um den Weg aus der Krise zu meistern.

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