Das stört doch niemanden: BGH lehnt Störerhaftung für Anbieter „offener“ WLAN-Hotspots ab

Ausgangslage

Betreiber offener und damit ungesicherter WLAN-Hotspots, wie z.B. üblich in Cafés, Flughäfen, Hotels, sahen sich in der Vergangenheit oft großen Rechtsrisiken ausgesetzt. Aufgrund der fehlenden Sicherung des angebotenen Netzwerks hatten Sie insbesondere keine Kontrolle darüber, welche Personen die WLAN-Verbindung zu welchen Zwecken nutzten. Als misslich stellte sich dies für die Anbieter häufig dann heraus, wenn ein anonymer Nutzer z.B. im Wege des Filesharings unberechtigt über das WLAN Dateien zum Download anbot. Wenn hierdurch Urheberrechte Dritter verletzt wurden, machten die Urheberrechtsinhaber - mangels Identifizierbarkeit des anonymen Nutzers - gerne von der sog. "Störerhaftung" Gebrauch.

Nach der (alten) Rechtsprechung des BGH ist nämlich Störer - und damit auch unterlassungs- und erstattungspflichtig - wer "ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt". Dies traf insbesondere auch auf denjenigen zu, der unachtsam mit seinem Internetanschluss umging, indem er diesen nicht hinreichend vor dem Zugriff Dritter sicherte. Folge dieser Rechtsprechung war - verständlicherweise - eine nur geringe bzw. schwerfällige Verbreitung sog. "offener" WLAN-Netzwerke.

Der Gesetzgeber hat dieses Problem erkannt und die Störerhaftung mit dem überarbeiteten Telemediengesetz (TMG) seit dem 13.10.2017 abgeschafft. Seither gilt, dass Anbieter nicht verantwortlich für fremde Informationen sind, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln. Zu diesen Anbietern zählen ausdrücklich auch solche, die einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.

Der aktuelle Fall und die Entscheidung des BGH

Der BGH hat nunmehr am 21.6.2018 (Az. I ZR 64/17 )entschieden, dass die neuen gesetzlichen Regelungen des TMG insbesondere mit Europarecht vereinbar sind und damit die Abschaffung der Störerhaftung bestätigt. Ggf. haben die Urheberrechteinhaber aber einen Anspruch gegen die Betreiber auf Vornahme von Sperrmaßnahmen.

Im vom BGH zu entscheidenden Fall war die Klägerin Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an einem Computerspiel. Dieses Spiel wurde in einer Internet-Tauschbörse zum Download angeboten, und zwar über den Anschluss des Beklagten. Dieser betrieb unter seiner IP-Adresse fünf öffentlich zugängliche WLAN-Hotspots und zwei eingehende Kanäle aus dem TOR-Netzwerk (Tor-Exit-Node). Die Klägerin mahnte den Beklagten ab und forderte Unterlassung. Der Beklagte wiederum machte geltend, selbst keine Rechtsverletzung begangen zu haben.

Der BGH entschied, dass der Beklagte nicht aufgrund einer Störerhaftung in Anspruch genommen werden könne. § 8 Abs. 1 Satz 2 TMG verbiete dies. Insbesondere bestehen nach Ansicht des BGH - und diese Frage war vorliegend entscheidend - keine durchgreifenden unionsrechtlichen Bedenken. Die Mitgliedstaaten seien zwar gemäß Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG und Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG verpflichtet, zugunsten der Rechtsinhaber die Möglichkeit gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler vorzusehen, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden. Zwar sei die Störerhaftung nunmehr nach deutschem Recht ausgeschlossen, jedoch ermögliche § 7 Abs. 4 TMG einen auf Sperrung des Zugangs zu Informationen gerichteten Anspruch gegen den Betreiber eines Internetzugangs über WLAN. Die Norm sei richtlinienkonform dahin fortzubilden, dass der Sperranspruch auch gegenüber den Anbietern drahtgebundener Internetzugänge geltend gemacht werden kann. Der Anspruch auf Sperrmaßnahmen sei nicht auf bestimmte Sperrmaßnahmen beschränkt und könne auch die Pflicht zur Registrierung von Nutzern, zur Verschlüsselung des Zugangs mit einem Passwort oder - im äußersten Fall - zur vollständigen Sperrung des Zugangs umfassen, so der BGH.

Fazit

Die Entscheidung des BGH - wie auch des Gesetzgebers - steht im Spannungsverhältnis der gegenseitigen Interessen der Urheberrechteinhaber auf der einen und der Anbieter von öffentlich zugänglichen drahtlosen Netzwerken - und deren Verbreitung - auf der anderen Seite.

Zunächst scheint die Entscheidung pro WLAN-Anbieter auszufallen. Aufgrund des Urteils dürften jedenfalls Massenabmahnungen damit nämlich weitgehend der Boden entzogen sein.

Allerdings betonte der BGH im Hinblick auf die Rechte der Urheber und das TMG zu Recht, dass deren Schutz auf der anderen Seite nicht vollständig ausgehoben werden darf. Der BGH ließ zunächst offen, unter welchen Voraussetzungen der WLAN-Anbieter zur Durchführung von Sperrmaßnahmen verpflichtet sein kann und welchen Umfang solche Sperrmaßnahmen haben können oder müssen. Es ist daher zu erwarten, dass sich die Gerichte nicht das letzte Mal mit der eingangs geschilderten Problematik beschäftigen mussten.

 

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