Die Erbschaft mit Drittstaatenbezug- ein Minenfeld?

 

Vererben innerhalb Europas ist mit Geltung der EU-Erbrechtsverordnung (EuErbVO) durch teilweise Vereinheitlichung des Rechts deutlich vereinfacht worden. Ungeklärt ist allerdings die Frage, welches Recht Anwendung findet, wenn nicht nur Vermögen innerhalb Europas, sondern auch Vermögen in einem Drittstaat - z.B. der Türkei - vererbt werden soll.

Zwischen Deutschland und der Türkei besteht diesbezüglich ein gesondertes Abkommen - das sog. "Deutsch-Türkische Nachlassabkommen", welches in § 14 regelt, dass beweglicher Nachlass nach dem Heimatrecht des Erblassers vererbt wird, während für die Vererbung von Immobilien das Recht des Staates zur Anwendung gelangt, in welchem die Immobilie belegen ist. Damit weicht aus deutscher Sicht das zur Anwendung berufene Recht von der Regelung der EuErbVO ab, die allein die Anwendung des Rechts des Staates vorsieht, in dem der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Die EuErbVO legt in Art. 75 Abs. 1 EuErbVO fest, dass internationale Übereinkommen, die ebenfalls erbrechtliche Regelungen beinhalten, von der Verordnung unberührt bleiben, wenn sie bereits vor Geltung der EuErbVO bestanden. Das bedeutet, dass in einem deutsch-türkischen Erbfall aus deutscher Sicht das Recht nach § 14 des Deutsch-Türkischen Nachlassabkommens Anwendung findet, während aus Sicht aller übrigen (vertraglich ungebundenen) europäischen Staaten Art. 21 EuErbVO Anwendung findet.

Beispiel: Ein Erblasser türkischer Staatsangehörigkeit verstirbt mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Er hinterlässt bewegliches und unbewegliches Vermögen in Deutschland und der Türkei. Aus deutscher Sicht kommt es zu einer Nachlassspaltung: Das bewegliche Vermögen in Deutschland und der Türkei sowie die Immobilien in der Türkei unterliegen türkischem Erbrecht. Die Immobilie in Deutschland hingegen unterliegt deutschem Erbrecht. Diese Rechtslage ist auch im Europäischen Nachlasszeugnis (ENZ) auszuweisen.

Schwierigkeiten entstehen dann, wenn der Erbe dieses ENZ nun zum Beweis seiner Erbschaft in einem weiteren EU-Staat vorlegt, beispielsweise in Frankreich zum Nachweis der Rechtsnachfolge in ein dortiges Bankkonto. Frankreich ist nicht Vertragspartner des angewendeten Deutsch-Türkischen Nachlassabkommens. Aus französischer Sicht ist Art. 21 EuErbVO anzuwenden mit der Folge, dass der gesamte Nachlass dem Recht des Staates des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes des Erblassers unterfällt, d.h. im vorliegenden Fall deutschem Erbrecht unterliegt. Aus französischer Sicht ist das ENZ daher unrichtig gem. Art. 69 Abs. 3 und 4 EuErbVO. Der im ENZ ausgewiesene Erbe kann aus französischer Sicht möglicherweise gar nicht zur Erbschaft berufen sein.

Wie mit dieser misslichen Lage umzugehen ist, regelt die EuErbVO nicht. Diskutiert werden sehr unterschiedliche Ansätze von der Nichtberücksichtigung bilateraler Verträge bei der Ausstellung eines ENZ bis hin zum Recht des durch bilateralen Vertrag gebundenen Staates, die Ausstellung eines ENZ zu verweigern. Letzteres stellt eine unzulässige Rechtsschutzverweigerung dar, während der erste Vorschlag den Ausstellungsstaat zwingt, entgegen seiner vertraglichen Verpflichtung ein (aus seiner Sicht) falsches Zeugnis in den Verkehr zu bringen.

Die Lösung des Problems liegt in der Verdeutlichung der territorialen Grenzen bilateraler Verträge. Das Deutsch-Türkische Nachlassabkommen kann nur insoweit gelten, als Nachlassvermögen in Deutschland oder der Türkei belegen ist. Auf in Frankreich belegenes Nachlassvermögen kann es keinen Einfluss nehmen. Trotz Geltung des Deutsch-Türkischen Nachlassabkommens bleibt es daher für Nachlassvermögen außerhalb von Deutschland/der Türkei bei der Anwendung von Art. 21 EuErbVO. Auf das französische Bankkonto findet im oben gewählten Beispiel gem. Art. 21 EuErbVO deutsches Erbrecht Anwendung. Dass der übrige Nachlass nach den besonderen Vorgaben des Nachlassabkommens vererbt wird, ist vom Vorlagestaat hinzunehmen.

Diese schwierigen Klippen internationaler Verträge und ihrer Regelungsgrenzen gilt es bereits im Antragsverfahren auf Ausstellung eines Erbscheins bzw. eines ENZ zu erkennen und zu umgehen, um unnötige Kosten und überlange Verfahren zu vermeiden.

 

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  • Handels- und Vertragsrecht
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