Drohende Insolvenzanfechtung bei Kenntnis des Gläubigers

Nach der derzeitigen Gesetzeslage und Rechtsprechung des BGH kann eine monatelang deutlich anwachsende fällige Forderung Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners begründen und damit das Tor zu einer Insolvenzanfechtung öffnen.

133 InsO – Vorsätzliche Benachteiligung/Insolvenzanfechtung

Gemäß § 133 Abs. 1 InsO können Rechtshandlungen - wie z.B. Zahlungen an einen Vertragspartner - angefochten werden, die ein Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen hat. Voraussetzung dafür ist der Vorsatz des Schuldners, seine Gläubiger zu benachteiligen sowie Kenntnis des Vertragspartners vom Vorsatz des Schuldners. Die Kenntnis wird vermutet, wenn dieser wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte.

Sachverhalt

In dem kürzlich vom BGH entschiedenen Fall hatte die Schuldnerin gegenüber der Lieferantin Zahlungsrückstände in der Größenordnung von mind. 200.000 EUR. Nachdem die Beklagte daraufhin einen Lieferstopp verhängt hatte, kündigte die Schuldnerin eine Einmalzahlung i.H.v. 50.000 EUR und monatliche Ratenzahlungen i.H.v. jeweils 40.000 EUR an. Nachdem sich zwei Monate später die Zahlungsrückstände auf ca. 800.000 EUR erhöht hatten, machte die Beklagte die Lieferung eines von der Schuldnerin dringend benötigten „Kraftdrehkopfes“ von der Erbringung einer Abschlagszahlung in der Größenordnung von 200.000 EUR und der Stellung einer Bankbürgschaft für die sonstigen ungedeckten Verbindlichkeiten i.H.v. ca. 600.000 EUR abhängig. Beides erbrachte die Beklagte. Nach Insolvenzeröffnung verlangt der klagende Insolvenzverwalter Rückzahlung des überwiesenen Betrages von 200.000 EUR.

Entscheidung

Der BGH gab der Klage statt. Die Beklagte müsse aufgrund des Sachverhalt Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt haben. Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit stehe die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit hinweisen.

Schon die ständig anwachsende Gesamtforderung der Beklagten hätte für diese das Bild einer am Rand des wirtschaftlichen Abgrunds handelnde Schuldnerin ergeben müssen. Dieses Bild habe sich verstärkt, als die Schuldnerin auch nach Verhängung der Liefersperre die Zahlungen nicht wieder aufnahm, sondern weitere Rückstände auflaufen ließ. Die Annahme einer bloß vorübergehenden Zahlungsstockung sei ausgeschlossen, nachdem es der Schuldnerin mehrere Monate nicht gelungen sei, ihre fälligen Verbindlichkeiten spätestens innerhalb von drei Wochen auszugleichen. Die Ankündigung einer Abschlagszahlung und das Angebot, den Rückstand in monatlichen Raten i.H.v. 40.000 EUR abtragen zu wollen, habe das Eingeständnis der Schuldnerin dargestellt, zu einer Befriedigung derer Verbindlichkeiten innerhalb eines Zeitraums von drei Wochen nicht in der Lage zu sein. Schließlich komme dem Umstand, dass die Beklagte die Bitte der Schuldnerin um die Auslieferung des Kraftdrehkopfes genutzt habe, um die nachträgliche Besicherung ihrer Forderung durch eine Bürgschaft über 600.000 EUR zu erzwingen und eine Abschlagszahlung von mehr als 200.000 EUR zu erreichen, eine indizielle Deutung für die Kenntnis der Zahlungseinstellung zu.

Bewertung und Ausblick

Der BGH bleibt mit der Entscheidung seiner harten Linie treu, insbesondere aus der Bitte des Schuldners um Zahlungserleichterungen auf eine Kenntnis des Gläubigers von dessen Zahlungsunfähigkeit zu schließen.

Allerdings ist damit zu rechnen, dass sich die Lage für Anfechtungsgegner künftig verbessern wird. Der Gesetzgeber sah sich veranlasst, einen Regierungsentwurf zur Änderung des § 133 Abs. 1 InsO vorzulegen, mit dessen Umsetzung zu rechnen ist. Demnach soll künftig bei einem solchen Sachverhalt genau der gegenteilige Schluss, nämlich dass der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gerade nicht kannte, gezogen werden. Bis zur Gesetzesänderung ist die vorgenannte Rechtsprechung jedoch zu beachten und Gläubiger sollten bei erbetenen Zahlungsaufschüben ihrer Schuldner hellhörig im Hinblick auf eine mögliche Insolvenz(-anfechtung) werden.

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