GmbH-Gesellschafterstreit: Keine Machtübernahme per Gesellschafterliste

Keine Entrechtung des Betroffenen eines zu Unrecht eingezogenen Gesellschaftsanteils nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG durch Aufnahme einer verbotswidrig eingereichten Gesellschafterliste

BGH, Urt. v. 02.07.2019, II ZR 406/17

Die Serie der höchstrichterlichen Entscheidungen zur Gesellschafterliste reißt nicht ab. Ein aktuelles Urteil des BGH zeigt plastisch, welch gefährliches Instrument die Gesellschafterliste in einer rabiat geführten Auseinandersetzung der Gesellschafter sein kann.

Der Leitsatz

Wird einer GmbH nach Einziehung eines Geschäftsanteils durch einstweilige Verfügung untersagt, eine neue Gesellschafterliste, die den von der Einziehung Betroffenen nicht mehr als Gesellschafter ausweist, beim Amtsgericht zur Aufnahme im Handelsregister einzureichen, ist die Gesellschaft nach Treu und Glauben gehindert, sich auf die formelle Legitimationswirkung des § 16 I S.1 GmbHG zu berufen, wenn entgegen der gerichtlichen Anordnung eine veränderte Gesellschafterliste zum Handelsregister eingereicht und im Registerordner aufgenommen worden ist.

Die Entscheidung

Der sehr facettenreiche, komplexe Sachverhalt enthält eine Reihe weiterer, insbesondere prozessrechtlicher Fragestellungen. Dieser Blogbeitrag bezieht sich ausschließlich auf die Auswirkungen auf die Legitimationswirkung der Gesellschafterliste.

  1. Sachverhalt (stark vereinfacht)
    Der Beklagte ist eine GmbH, bei welcher Gesellschafter 1 60 % der Anteile hält, Gesellschafter 2, eine GmbH, 3 % und die vom Kläger beherrschte Gesellschafter 3-GmbH 15 %. In der Gesellschafterversammlung wurde die Einziehung der Gesellschaftsanteile von Gesellschafter 1 beschlossen. Gegen diese Einziehungsbeschlüsse sind Klagen anhängig.
     
    Im Wege der einstweiligen Verfügung wurde der Beklagten untersagt, eine neue Gesellschafterliste, die Gesellschafter 1 nicht mehr als Gesellschafter ausweist, beim Amtsgericht zur Veröffentlichung im Handelsregister einzureichen. Dennoch reichte die Beklagte eine solche Gesellschafterliste ein, welche in den Registerordner aufgenommen wurde. Als der Gesellschafterliste ein Widerspruch zugeordnet wurde, reichte die Beklagte abermals eine identische Gesellschafterliste zum Handelsregister ein, die nicht mit einem Widerspruch versehen wurde. Sodann wurden ohne den Kläger Beschlüsse gefasst, die für ihn erheblich nachteilig waren.
     
  2. Argumentation des BGH
    Ist ein Gesellschafter nicht in die Gesellschafterliste eingetragen, die sich im Registerordner befindet, muss er nach § 16 Abs. I Satz 1 GmbHG an Gesellschafterbeschlüssen nicht beteiligt werden. Auf diese negative Legitimationswirkung kann sich die Gesellschaft nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht berufen, wenn ihr durch einstweilige Verfügung untersagt wurde, eine neue Gesellschafterliste zur Aufnahme im Handelsregister einzureichen und sie gegen dieses ausgesprochene Verbot durch unredliches Verhalten verstößt. Der nun zu Unrecht nicht mehr in der Gesellschafterliste Eingetragene hat daher auch das Recht, an Gesellschafterbeschlüssen mitzuwirken. Schließlich wurde durch einstweilige Verfügung gerichtlich geprüft, dass er vorläufig weiterhin als Inhaber des Geschäftsanteils zu behandeln ist.
  3. Konsequenz für die Praxis
    Achtung: Die Anfechtungsklage gegen einen fehlerhaften Einziehungsbeschluss schützt den Betroffenen nicht ausreichend. Denn die Änderung der Gesellschafterliste führt praktisch zu einem unmittelbaren Kontrollverlust, da der nun nicht mehr eingetragene Gesellschafter wegen der Legitimationswirkung sämtliche Gesellschafterrechte nicht mehr ausüben kann. Die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG entfällt nämlich auch nicht rückwirkend nach Treu und Glauben, wenn sich nachträglich die Einziehung als unwirksam und die nach der Einziehung eingereichte Gesellschafterliste als unrichtig erweist.
     
    Wird ein Gesellschaftsanteil fehlerhaft entzogen, steht dem Betroffenen als einzig effektives Mittel die Möglichkeit offen, sich gegen die Aufnahme einer ihn nicht mehr als Gesellschafter ausweisenden Gesellschafterliste in das Handelsregister durch die Erwirkung einer die Aufnahme untersagenden einstweiligen Verfügung gegen die GmbH zu schützen. Nur dann sind trotz ggf. unredlicher Änderung der Gesellschafterliste die von den übrigen Gesellschaftern gefassten Beschlüsse unter Nichtbeteiligung des Betroffenen nichtig, da die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG dann nicht greift.
     

Dabei ist ein rasches Handeln erforderlich. Die Aufnahme einer geänderten Gesellschafterliste kann innerhalb weniger Tage erfolgen. Im Zweifel kann der betroffene Gesellschafter den einstweiligen Rechtsschutz schon im Vorfeld der Beschlussfassung beantragen – mit dem Risiko, dass dieses Vorgehen für unzulässig erklärt wird. Gegebenenfalls muss der vorläufige Rechtsschutz sogar auf die Einreichung einer korrigierten Gesellschafterliste gerichtet werden.

 

Die Gesellschaft muss den Notar von der Verbotsverfügung unterrichten. Denn ein Notar, der nach § 40 Abs. 2 Satz 1 GmbHG nach wirksamer Einziehung die neue Gesellschafterliste zu unterschreiben und zum Handelsregister einzureichen hat, darf bei Vorliegen einer solchen einstweiligen Verfügung die Gesellschafterliste gerade nicht einreichen. Er kann die Zweifel an der Wirksamkeit nicht durch eigene Beurteilung ausräumen, diese werden erst im Gerichtsverfahren geklärt.

 

  1. Hinweis auf 2 W 22/19
    Die einstweilige Verfügung im Zusammenhang mit der Gesellschafterliste war ebenso Gegenstand einer aktuellen Entscheidung des Kammergerichts (13.08.2019). Begehrt der Kläger im Rahmen der einstweiligen Verfügung die Zuordnung eines Widerspruchs zu einer Gesellschafterliste, ist das entsprechende Hauptsacheverfahren der Berichtigungsanspruch gegen den zu Unrecht eingetragenen Scheingesellschafter – nicht der Anspruch gegen die Gesellschaft auf Einreichung einer korrigierten Liste.