Keine echten „Sammelklagen“ – zum Referentenentwurf zur Musterfestellungsklage gegen Unternehmen

Der Begriff der „Sammelklage“ stammt aus den USA und hat jüngst mit dem VW-Abgasskandal auch in Deutschland wieder Verbreitung gefunden. Die Möglichkeit echter „Sammelklagen“ nach US-Vorbild gibt es im deutschen Recht bislang nicht. Bei derartigen Klagen kann sich eine Vielzahl von Anspruchstellern unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen einer sog. class action auf ein Prozessergebnis berufen, auch wenn sie selbst nicht geklagt haben.

AUCH KÜNFTIG: KEINE SAMMELKLAGEN NACH US-VORBILD

Diese Form des kollektiven Rechtsschutzes wird es nach dem Willen der Bundesregierung so auch künftig in Deutschland nicht geben. Bundesjustizminister Heiko Maas möchte jedoch – mit Rückendeckung der Landesjustizminister/-innen und der Mehrheit des deutschen Bundestages – durch die Einführung einer sog. Musterfeststellungsklage vor allem die Rechte von Verbrauchern sowie die Stellung von Verbänden, anerkannten Verbraucherschutzverbänden und Handwerks- und Handelskammern stärken.

Ein ähnliches Rechtsinstitut gibt es bereits im Kapitalmarktrecht. Die Möglichkeit der Musterklage nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) besteht jedoch nur für Anleger, nicht allgemein für Verbraucher.

REFERENTENENTWURF: MUSTERFESTSTELLUNGSKLAGE

Ein Referentenentwurf zur „allgemeinen“ Musterfeststellungsklage liegt nun vor. Auch wenn der Entwurf selbst noch nicht öffentlich zugänglich ist, sind einige Eckpunkte bereits bekannt geworden:

So ist vorgesehen, dass „qualifizierte Einrichtungen“ für die betroffenen Verbraucher (oder auch Unternehmen) gegen das in Anspruch zu nehmende Unternehmen vorgehen können. Betroffene Verbraucher (und Unternehmen) – mindestens zehn Betroffene – müssen sich dafür in einem elektronischen Klageregister eintragen lassen. Diese sichern sich damit ihre Ansprüche verjährungshemmend und (zunächst) ohne Einschaltung eines eigenen Anwalts. Dadurch möchte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vermeiden, dass sich in Deutschland eine Klageindustrie wie in den USA entwickelt.

KLÄRUNG UND BINDUNGSWIRKUNG FÜR ZENTRALE TATSACHEN- UND RECHTSFRAGEN

Durch die Musterfeststellungsklage sollen zentrale Tatsachen- und Rechtsfragen verbindlich vor Gericht geklärt werden. So kann z.B. geklärt werden, ob die allgemeinen Voraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs vorliegen. Den Verbrauchern wird dadurch die Beweisführung für die allgemeinen Voraussetzungen ihres Anspruchs erleichtert. Bisher mussten derartige Fragen teils durch aufwendige Gutachten in jedem einzelnen Verfahren geklärt werden. Mit der Musterfeststellungsklage soll demnach nicht nur das Verfahren beschleunigt, sondern es sollen auch das Prozessrisiko und die damit verbundenen Kosten für den Verbraucher minimiert werden.

FESTSTELLUNG ERÜBRIGT NICHT ANSPRUCHSDURCHSETZUNG IM EINZELFALL

Werden die zentralen Rechtsfragen zugunsten des Verbrauchers mit der Musterklage bejaht, erübrigt sich dadurch jedoch nicht unbedingt ein individuelles Verfahren. Aus einer Feststellungsklage folgt kein individueller, vollstreckbarer Titel, sodass unter Umständen zur Durchsetzung des Anspruchs des Einzelnen ein weiterer Prozess nötig sein kann.

ERLEDIGUNG DURCH VERGLEICH

Der Entwurf sieht auch die Möglichkeit eines Vergleichs vor. Dieser soll (nur) wirksam werden, wenn weniger als 30 % der registrierten Anspruchsteller innerhalb einer Monatsfrist nach Feststellung ihre Registrierung „aufheben“.

GESETZ SCHON ANFANG 2017 MÖGLICH

Da im Bundestag nunmehr scheinbar Einigkeit über dieses Vorhaben herrscht, könnte die Gesetzesänderung möglicherweise bereits Anfang 2017 beschlossen werden. Teilweise wird aber auch bezweifelt, dass das Gesetz noch vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr verabschiedet wird.

AUSSICHT FÜR UNTERNEHMEN

Auch wenn die Einzelheiten des geplanten Gesetzes noch nicht öffentlich bekannt sind, werden sich Unternehmen mit dieser Form drohender Inanspruchnahme auseinandersetzen müssen. Da die jeweiligen Musterverfahren Präjudiz für eine Vielzahl von Fällen potentieller Anspruchsteller schaffen werden, wird hier auf eine besonders gründliche und sorgfältige Verfahrensführung zu achten sein. So betrachtet kann dem Ganzen möglicherweise auch aus Sicht in Anspruch genommener Unternehmen etwas Positives abgewonnen werden: Ein erfolgreich geführtes Musterverfahren kann eine Vielzahl von Einzelprozessen (und damit verbundene Kosten sowie Ressourcenbindung) auch gerade verhindern.

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