Referentenentwurf zur 10. GWB-Novelle

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat am 23.01.2020 den seit langem erwarteten Referentenentwurf zur 10. GWB-Novelle (sog. GWB-Digitalisierungsgesetz) veröffentlicht. Die Novelle dient vor allem der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1 (sog. ECN+-Richtlinie) zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften) sowie der Fortentwicklung des Kartellrechts zur besseren Erfassung der Digitalwirtschaft und von Plattformen. Schwerpunkte sind dementsprechend Verschärfungen im Verfahrens- und Bußgeldrecht sowie umfangreiche Ergänzungen im Bereich der Missbrauchsaufsicht. Daneben finden sich Neuerungen im Bereich der Fusionskontrolle, die Ausweitung der Handlungsbefugnisse des Bundeskartellamtes im Bereich einstweiliger Maßnahmen, die Kodifizierung informeller Vorgehensweisen und schließlich Ergänzungen des Kartellschadensersatzrechts.

Verfahrens- und Bußgeldrecht

Im Bereich der Verfahrensvorschriften der §§ 54 ff. GWB-RefE sind umfangreiche Veränderungen vorgesehen. Überwiegend handelt es sich hierbei um eine Neugliederung der Normen ohne inhaltliche Änderungen. Sehr weitgehend sind hingegen die Änderungen betreffend das Auskunftsverlangen und die Befugnisse der Kartellbehörden bei Durchsuchungen, insbesondere da diese Vorschriften auch im Bußgeldverfahren anwendbar sind und deshalb zu einer weiteren, bedenklichen Einschränkung der Verteidigungsrechte führen. Zugleich fehlt es weiterhin an einer gesetzlichen Regelung des „legal privilege“.

Auskunftsverlangen und Durchsuchungen durch Kartellbehörden

Auskunftsverlangen der Kartellbehörden dürfen sich nach § 59 GWB-RefE zukünftig nicht nur auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens und die Herausgabe von Unterlagen, sondern auf alle Informationen und Unterlagen erstrecken, die dem Unternehmen oder der Unternehmensvereinigung zugänglich sind. Dies gilt auch für Informationen und Unterlagen über Mutter- und Schwestergesellschaften. Bisher war erforderlich, dass die Informationen über die wirtschaftlichen Verhältnisse von Mutter-oder Schwestergesellschaften dem Unternehmen zur Verfügung stehen oder es zur Beschaffung in der Lage war. Durch die Neuregelung entsteht somit ein Konflikt mit dem in Deutschland geltenden gesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzip, da Unternehmen keine rechtlichen Zugriffsmöglichkeiten auf Informationen und Unterlagen ihrer Mutter- und Schwestergesellschaften haben.

§ 59 b GWB RefE normiert nunmehr die Befugnisse der Kartellbehörde bei Durchsuchungen von Geschäfts-und Privatwohnungen in einem gesonderten Paragrafen (siehe im Übrigen § 97 StPO). Leider erachtet es der deutsche Gesetzgeber offenbar nach wie vor nicht für erforderlich, das nicht nur in den USA, sondern seit längerem auch im EU- Kartellrecht anerkannte „legal privilege“ gesetzlich zu verankern. Dies ist deswegen problematisch, weil das tradierte Verständnis der Auslegung bzw. Anwendung des § 97 StPO Anwaltskorrespondenz, die zwar im Zusammenhang mit einem späteren Bußgeldverfahren steht, allerdings bereits vor Verfahrensöffnung durch die Kartellbehörde erstellt worden ist, gleichwohl beim Unternehmen (und unter Umständen auch beim beratenden Rechtsanwalt) sichergestellt bzw. beschlagnahmt werden darf. Dies führt zu einem fortgesetzten und weiter zunehmenden Ungleichgewicht zwischen Ermittlungsbefugnissen einerseits und Verteidigungsrechten andererseits.

Im Hinblick darauf, dass die Regelungen der §§ 59, 59b GWB RefE auch in Bußgeldverfahren Anwendung finden (§ 81o GWB RefE), ist besonders kritisch zu sehen, dass natürliche Personen auch dann zur Erteilung von Auskünften oder zur Herausgabe von Unterlagen verpflichtet sind, wenn die Offenbarung der Tatsachen zu einer Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit führen würde. Dies verstößt gegen den verfassungsrechtlich verankerten Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit verstoßen. Die in § 59 Abs. 4 GWB RefE vorgesehene Möglichkeit der Kartellbehörde, im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens eine Nichtverfolgungszusage zu erteilen, schützt die natürlichen Personen nur unzureichend, da dieses Instrument nach wie vor gesetzlich nicht normiert und auf Grundlage des der Kartellbehörde eingeräumten Verfolgungsermessens erteilt wird. Auch wenn diese Durchbrechung der Selbstbelastungsfreiheit für Unternehmen unmittelbar nicht gilt, steht zu befürchten, dass die Kartellbehörden durch die exzessive Erteilung von Nichtverfolgungszusagen, u.U. auch über das zulässige Ermessen hinaus, dieses Privileg gleichwohl aushöhlen. Erschwerend kommt hinzu, dass § 81o Abs. 3 GWB RefE eine weitreichende Durchbrechung des strafprozessualen Unmittelbarkeitsgrundsatzes vorsieht. Grundsätzlich darf ein Zeugenbeweis nicht durch die Verlesung einer Vernehmungsniederschrift ersetzt werden. Die Neuregelung sieht hingegen vor, dass Auskünfte, die im Rahmen von Auskunftsverlangen oder Durchsuchungen erteilt werden, als Urkunden im gerichtlichen Verfahren verlesen werden dürfen.

Bußgeldvorschriften

In Umsetzung der ECN+-Richtlinie sind zudem eine Reihe von Änderungen im materiellen Bußgeldrecht vorgesehen.

§ 81c Abs. 4 GWB RefE sieht vor, dass Bußgelder gegen Unternehmensvereinigungen 10% des weltweiten Jahresumsatzes derjenigen Mitglieder betragen können, die auf dem von der Ordnungswidrigkeit betroffenen Markt tätig waren. Die stellt eine signifikante Erhöhung des Bußgeldrahmens dar, da bisher ausschließlich auf den unmittelbaren Umsatz der Unternehmensvereinigung abgestellt wurde. Es darf bezweifelt werden, dass Unternehmensvereinigungen selbst in der Lage sind, entsprechend hohe Geldbußen zu tragen. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Ausfallhaftung der Mitglieder einer Unternehmensvereinigung für gegen letztere verhängte Geldbußen gemäß § 81b GWB RefE von erheblicher Bedeutung. Diese Haftung ist allerdings insofern rechtsstaatlich bedenklich, als sich die Mitglieder im Bußgeldverfahren nur gegen die eigene Geldbuße, nicht aber gegen die der Unternehmensvereinigung verteidigen können.

§ 81c Abs. 3 GWB RefE sieht ebenfalls eine substanzielle Erhöhung des Bußgeldrahmens für Verstöße gegen bestimmte Verfahrenspflichten vor. Die Geldbußen können sich von bisher bis zu 100.000 € auf bis zu 1 % des Vorjahresumsatzes der beteiligten Unternehmensgruppe erhöhen.

Mit § 81d GWB RefE verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die gesetzlichen Kriterien für die Zumessung der nach wie vor stark kritisierten umsatzbezogenen Geldbuße von 10 % des Vorjahresumsatzes zu konkretisieren. Problematisch ist dies in erster Linie mit Blick auf die Bußgeldzumessung durch die Kartellgerichte, für die die vom BKartA erlassenen Bußgeldleitlinien nicht verbindlich sind. Die vorgesehenen weiteren Zumessungskriterien erscheinen aber als zu wenig konkret, als dass zukünftig die voraussichtliche Höhe der Geldbußen von den beteiligten Unternehmen und Verteidigern besser prognostiziert werden und eine einheitliche Systematik der Bußgeldbemessung sichergestellt wäre. Positiv ist, dass zukünftig Compliance-Maßnahmen Bußgeld mindernd berücksichtigt werden sollen.

In §§ 81h ff. GWB RefE soll das Kronzeugenprogramm, welches derzeit lediglich in Leitlinien des BKartA niedergelegt ist, kodifiziert werden. Insbesondere fehlt der ausdrückliche Hinweis, dass mit der Kronzeugenbehandlung kann Einschränkung der Verfahrensrechte des Rechts auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz verbunden ist. Erforderlich ist insbesondere, dass natürliche Personen, die im Rahmen des gegen das Unternehmen geführten Bußgeldverfahrens die Voraussetzungen für einen Erlass oder eine Ermäßigung der Geldbuße erfüllen, hiervon in einem gegen sie geführten Strafverfahren profitieren, wie dies insbesondere bei Ausschreibungsabsprachen der Fall ist.

Gerichtliches Verfahren

Schließlich wird durch § 82a GWB RefE entsprechend der Vorgabe der ECN+-Richtlinie die Stellung des Bundeskartellamtes im gerichtlichen Bußgeldverfahren gestärkt. Zukünftig hat die Staatsanwaltschaft im Zwischenverfahren keine eigene Überprüfungs- und Einstellungskompetenz mehr. Im gerichtlichen Verfahren soll das Bundeskartellamt über dieselben Kompetenzen wie die Staatsanwaltschaft verfügen. In der Praxis wird sich zeigen müssen, wie sich dies auf das Verfahren auswirken wird.

Missbrauchsaufsicht

Der Referentenentwurf enthält umfassende Ergänzungen in der Missbrauchsaufsicht, die insbesondere – aber nicht nur – die digitale Ökonomie und die Plattformwirtschaft adressieren.

Marktbeherrschung und Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung

§ 18 Abs. 3 Nr. 2 GWB-RefE enthält eine Ergänzung des Katalogs der Marktbeherrschungskriterien um den Zugang des Unternehmens zu wettbewerbsrelevanten Daten. § 18 Absatz 3b GWB RefE soll bei der Bewertung der Marktstellung eines Unternehmens, das als Vermittler der mehrseitigen Märkten tätig ist, zudem die Bedeutung der von ihm erbrachten Vermittlungsleistungen für den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten zu berücksichtigen sein. Somit soll also auch die Intermediationsmacht von Unternehmen – vor allem von digitalen Plattformen – in die Bewertung deren Marktstellung mit einfließen. Auch hierbei handelt es sich um eine gesetzgeberische Klarstellung, da eine derartige Marktposition ebenfalls bereits durch die Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände nach § 18 Abs. 3 GWB erfasst wird.

Nach § 19 Abs. 1 GWB ist künftig nicht mehr die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung, sondern der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verboten. Somit ist keine strikte Kausalität der marktbeherrschenden Stellung für das missbräuchliche Verhalten mehr in dem Sinne erforderlich, dass der Normadressat die tatbestandliche Verhaltensweise allein aufgrund seiner marktbeherrschenden Stellung durchsetzen konnte. Vielmehr genügt deine normative bzw. „Ergebnis“-Kausalität. Dies erleichtert ein Eingreifen der Kartellbehörden in Geschäftspraktiken und auf unentgeltlichen Märkten, insbesondere der Digitalökonomie. Da die Norm weiterhin keinen Marktbezug voraussetzt, können die Kartellbehörden auch außerkartellrechtliche Wertungen einbeziehen. Das BKartA hat bereits im Facebook-Verfahren auf Verstöße gegen das Datenschutzrecht abgestellt.

Relative Marktmacht

Zu begrüßen ist, dass eine marktstarke Stellung nach § 20 Abs. 1 GWB-RefE künftig nicht mehr nur im Verhältnis zu kleinen oder mittleren Unternehmen möglich ist, sondern auch gegenüber allen Unternehmen, deren Abhängigkeit wegen eines deutlichen Ungleichgewichts nicht durch eine entsprechende Gegenmacht der Anbieter oder Nachfrager des marktstarken Unternehmens aufgewogen wird. Hierdurch wir die Rechtsanwendung deutlich erleichtert, da der Begriff der kleinen und mittleren Unternehmen nicht klar umrissen ist. Das Kriterium eines deutlichen Ungleichgewichts geht auf den Beschluss des BGH in Sachen Edeka-Hochzeitsrabatte zurück. Nach § 20 Abs. 1a GWB-RefE soll sich Abhängigkeit i.S.d. § 20 Abs. 1 GWB ferner daraus ergeben können, dass ein Unternehmen für die eigene Tätigkeit auf den Zugang der Daten angewiesen ist, die von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden. Dies soll auch dann möglich sein, wenn der Geschäftsverkehr für diese Daten bislang nicht eröffnet ist.

Um dem Phänomen des sog. Tippings auf Plattformmärkten zu begegnen, sieht der Referentenentwurf schließlich einen neuen § 20 Abs. 3a GWB-RefE vor. Eine unbillige Behinderung liegt nach der Norm auch darin, dass ein Unternehmen mit überlegener Marktmacht auf mehrseitigen Märkten und Netzwerken im Sinne des § 18 Abs. 3a GWB-RefE die eigenständige Erzielung von positiven Netzwerkeffekten durch Wettbewerber behindert und hierdurch die ernstliche Gefahr begründet wird, dass der Leistungswettbewerb in nicht unerheblichem Maße eingeschränkt wird. Die Anwendung der Norm in der Praxis darf daher gespannt erwartet werden – Erfahrungswerte in dem Bereich bestehen nicht und in anderen Jurisdiktionen existieren derartige Regelungen (noch) nicht. Insbesondere die Begriffe der positiven Netzwerkeffekte als auch der Behinderung ihrer Erzielung bleiben zudem undeutlich.

Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung

Um zu verhindern, dass Unternehmen eine überragende marktübergreifende Bedeutung auf einem Markt als Hebel auf einem anderen Mark nutzen, ist in § 19a GWB-RefE ein gänzlich neues Instrument vorgesehen. Das Bundeskartellamt soll zukünftig in einem zweistufigen Verfahren in das Verhalten von Unternehmen mit derartiger Bedeutung eingreifen können. Der Gesetzgeber hat hierbei Unternehmen mit Gatekeeper-Funktion wie Google, Facebook oder Amazon im Visier.

Im ersten Schritt soll das Bundeskartellamt gem. § 19a Abs. 1 GWB-RefE nach seinem Ermessen durch Verfügung feststellen können, dass einem Unternehmen, das in erheblichem Umfang auf mehrseitigen Märkten oder in Netzwerken im Sinne des § 18 Abs. 3a GWB tätig ist, eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Für diese überragende marktübergreifende Bedeutung ist ein Bündel von nicht notwendig kumulativ zu erfüllenden Kriterien zu berücksichtigen. Die Tätigkeit in diesem Gebiet muss ein Schwerpunkt des Unternehmens bilden und darf nicht bloß von untergeordneter Natur sein. Kritisch zu sehen ist, dass dies besonders große und diversifizierte Unternehmen begünstigt.

Im zweiten Schritt soll das Bundeskartellamt gem. § 19a Abs. 2 GWB-RefE berechtigt sein, einem Unternehmen, gegenüber dem es eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb festgestellt hat, bestimmte Verhaltensweisen (Leveragingstrategien) zu untersagen. Zwar kann es die abschließend aufgezählten Verhaltensweisen nicht verbieten, wenn das betreffende Verhalten sachlich gerechtfertigt ist. Die Beweislast hierfür liegt aber bei dem betroffenen Unternehmen. Dies ist mit Blick auf die Grundrechte der betroffenen Unternehmen und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz rechtlich höchst bedenklich.

Konzept der Intermediationsmacht

Der Referentenentwurf sieht an mehreren Stellen die Einführung des Konzepts der Intermediationsmacht vor. Gem. § 18 Abs. 3b GEB-RefE soll die Intermediationsmacht von Unternehmen in die Bewertung der Marktstellung mit einfließen. Nach § 19a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 GWB-RefE ist die Intermediationsmacht ein Merkmal einer überragenden Marktübergreifenden Stellung.

Schließlich weitet ein neuer § 20 Abs. 1 Satz 2 GWB-RefE die Anwendung des Behinderungs- und Diskriminierungsverbots gem. § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB auf Unternehmen aus, von deren Vermittlungsleistungen andere Unternehmen mit Blick auf den Zugang zu Beschaffung- und Absatzmärkten in der Weise abhängig sind, dass keine ausreichenden oder zumutbaren Ausweichmöglichkeiten bestehen. In der Praxis wird sich allerdings zeigen müssen, wann diese Voraussetzung erfüllt ist.

Datenzugang

Sowohl im Bereich des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung als auch im Bereich relativer Marktmacht sieht der Referentenentwurf Regelungen über den Anspruch auf Zugang zu Daten vor. Durch die Ausweitung des Tatbestands der Zugangsverweigerung nach § 19 Abs. 2 Nr. 4 GWB-RefE auf den Zugang zu Daten wird die sog. essential-facilities-doctrine auf den Bereich der Digitalökonomie erdstreckt. Ferner statuiert § 20 Abs. 1a Satz 2 GWB-RefE einen Datenzugangsanspruch im Fall einer datenbezogenen Abhängigkeit.

In diesem Zusammenhang wäre zu erwarten gewesen, dass der Begriff der Daten angesichts seiner wachsenden Bedeutung im Kartellrecht definiert oder konkretisiert wird, was der Gesetzgeber aber weiterhin unterlässt. Beispielsweise bleibt unklar, ob nur Rohdaten oder auch Analyseergebnisse geschuldet sind. Somit verbleibt in der Rechtsanwendung eine erhebliche Unsicherheit über die Auslegung dieses Begriffs.

Ferner darf zwar ein angemessenes Entgelt für die Daten verlangt werden. Dieses könnte aber auch bei „Null“ liegen. Andererseits könnte durch die Änderung ein falscher Anreiz gesetzt werden, selbst keine Daten zu sammeln und sich stattdessen darauf zu verlassen, dass andere Unternehmen diese herausgeben müssen. Interessant dürfte ferner das Zusammenspiel dieses Datenzugangsanspruchs mit dem Datenschutzrecht werden.

Fusionskontrolle

Im Bereich Fusionskontrolle soll es eine Reihe von Änderungen geben.

Durch die Anhebung der sog. 2. Inlandsumsatzschwelle in § 35 Abs. 1 Nr. 2 GWB von EUR 5 Mio. auf EUR 10 Mio. erhofft sich die Bundesregierung eine Reduzierung der Fallzahlen um 20%. Ob tatsächlich deutlich weniger Vorhaben der deutschen Fusionskontrolle unterfallen, bleibt abzuwarten, zumal die Anhebung moderat ist und zugleich die sog. Anschlussklausel nach § 35 Abs. 2 Satz 1 GWB gestrichen wird. Für die Berechnung der relevanten Umsatzerlöse sollen anstelle der deutschen handelsbilanziellen Grundsätze (§ 277 HGB) künftig auch andere international anerkannte Rechnungslegungsstandards (bspw. IFRS) verwendet werden können (§ 38 Abs. 1 Satz 2 GWB RefE).

Der neue § 39a GWB RefE (sog. Remondis-Klausel) verschafft dem Bundeskartellamt die Möglichkeit, Unternehmen durch Verfügung dazu zu verpflichten, Zusammenschlüsse in einem bestimmten Wirtschaftszweig unter gegenüber § 35 Abs. 1 GWB abgesenkten Voraussetzungen anzumelden. Eine derartige Verfügung kann das Bundeskartellamt erlassen, wenn das Unternehmen im letzten Geschäftsjahr weltweit Umsatzerlöse von mehr als EUR 250 Mio. erzielt hat und Anhaltspunkte dafür bestehen, dass durch künftige Zusammenschlüsse der Wettbewerb im Inland in den genannten Wirtschaftszweigen eingeschränkt werden kann. Die Anmeldepflicht besteht dann für einen Zeitraum von drei Jahren bereits dann, wenn das zu erwerbende Unternehmen im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr Umsatzerlöse von mehr als EUR 2 Mio. und hiervon mehr als zwei Drittel im Inland erzählt hat. Thematisch ist in jedem Fall, dass die Anwendung der Vorschrift im Ermessen des BKartA steht, die Unternehmen also kaum vorhersehen können, ob sie hiervon betroffen sein werden.

In der Bagatellmarktklausel in § 36 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 GWB RefE soll das Marktvolumen von EUR 15 Mio. auf EUR 20 Mio. angehoben werden. Die damit einhergehenden größeren Spielräume auf wirtschaftlich unbedeutenden Märkten werden allerdings zugleich dadurch wieder eingeschränkt, dass für die Berechnung des Marktvolumens mehrere getrennte Bagatellmärkte addiert werden können.

Nach § 40 Abs. 2 Satz 2 GWB RefE soll die Dauer des sog. Hauptprüfverfahren von vier auf fünf Monate nach Eingang der vollständigen Anmeldung beim Bundeskartellamt verlängert werden. Zugleich soll allerdings Gesamtdauer aller Fristverlängerungen auf einen Monat beschränkt werden. Dies macht die Verfahrensdauer planbarer, verringert aber zugleich die gerade in schwierigen Fällen häufig notwendige Flexibilität, insbesondere bei Abgabe von Zusagen.

Eine Ministererlaubnis soll gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 GWB RefE künftig kumulativ (bisher alternativ) voraussetzen, dass die Wettbewerbsbeschränkung im Einzelfall von den gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird und dass der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Durch diese Änderung werden die Hürden für mittelständische Unternehmen, mit einem Antrag auf Ministererlaubnis gegen eine Untersagung des Bundeskartellamts vorzugehen, praktisch unüberwindlich, da Zusammenschlüsse unter Mittelständlern kaum durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt sind. Offenkundig ist die Änderung auf die umstrittene Ministererlaubnis in Sachen Miba/Zollern zurückzuführen, mit der die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens durch die beiden größten Hersteller von Industriegleitlagern in Deutschland genehmigt wurde.

Sonstiges

Zukünftig sollen nach § 32a Abs. 1 GWB RefE die Voraussetzungen für einstweilige Maßnahmen abgesenkt werden. Es genügt, wenn eine Zuwiderhandlung überwiegend wahrscheinlich erscheint und die einstweilige Maßnahme zum Schutz des Wettbewerbs oder aufgrund einer unmittelbar drohenden, schwerwiegenden Beeinträchtigung eines anderen Unternehmens geboten ist. Das Kriterium eines „ernsten, nicht wiedergutzumachenden Schadens“ wird hingegen aufgegeben. Es fehlt damit jedwedes Wertungskriterium für den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Dies könnte gerade im Zusammenspiel mit der Aufnahme des Individualschutzes in die Vorschrift zu einer Verschiebung von Durchsetzungsprioritäten führen.

§ 32c GWB ermächtigt die Kartellbehörden bereits jetzt, aufgrund eingeschränkter Sachverhaltsaufklärung zu entscheiden, dass für sie kein Anlass zum Tätigwerden besteht. Diese Selbstbindung führt dazu, dass Unternehmen insbesondere innovative vertragliche Gestaltungen bis auf weiteres praktizieren können, sofern nicht ein drittes Unternehmen zivilrechtlich gegen die Gestaltung vorgeht. Die Vorschrift soll nunmehr in § 32c Abs. 2 GWB RefE durch eine Kodifizierung des sogenannten Vorsitzendenschreibens, also einer informellen Beratung durch die zuständige Beschlussabteilung des Bundeskartellamts, ergänzt werden. Dies ist ebenso positiv zu bewerten wie die Neuregelung in § 32c Abs. 4 GWB RefE, wonach ein Anspruch auf Entscheidung nach § 32c Abs. 1 GWB bestehen soll, sofern ein erhebliches rechtliches und wirtschaftliches Interesse an der Entscheidung besteht. Allerdings soll dieser Anspruch auf horizontale Kooperationen begrenzt sein.

Die Geltendmachung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche soll weiter erleichtert werden. § 33a GWB soll um einen neuen Abs. 5 ergänzt werden, gemäß dem widerlegbar vermutet wird, dass Rechtsgeschäfte über Waren oder Dienstleistungen mit kartellbedingten Unternehmen, die sachlich, zeitlich und räumlich in den Bereich des Kartells fallen, von diesem Kartell erfasst waren. Diese Ergänzung ist erforderlich geworden, nachdem der BGH im Schienenkartell-Urteil entschieden hat, dass kein Anscheinsbeweis der Kartellbetroffenheit besteht. Durch § 33c Abs. 3 Satz 2 GWB RefE soll diese gesetzliche Vermutung auch auf mittelbare Abnehmer ausgeweitet werden. Eine gesetzliche Vermutung der Schadenshöhe ist weiterhin nicht geplant, sodass diese weiterhin nach § 287 ZPO geschätzt werden muss.

Weiteres Verfahren

Nach Abschluss der Verbändeanhörungen und Auswertung der Stellungnahmen wird der Entwurf – dann als Regierungsentwurf – an das Bundeskabinett geleitet. Das parlamentarische Verfahren soll im zweiten Halbjahr 2020 erfolgen.

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