Sportwagen - eine Gefahr nicht nur im Straßenverkehr, sondern auch im Erbrecht

Seit einiger Zeit wird diskutiert, ob Erb- und Pflichtteilsverzichtsverträge – ähnlich wie Eheverträge – grundsätzlich einer richterlichen Inhaltskontrolle und wenn ja, welchem Maßstab unterliegen. Diejenigen, die Eheverträge und Erb- und Pflichtteilsverträge gleich behandeln wollen, halten die Situation eines Ehegatten und des verzichtenden Erb- und Pflichtteilsberechtigten für regelmäßig vergleichbar: Beide könnten aus persönlichen oder finanziellen Gründen gegenüber dem Vertragspartner eine strukturell unterlegende Position haben, die durch eine nachträglich gerichtliche Kontrolle berichtigt werden müsse. Dabei wird vorrangig auf die Abschlusssituation abgestellt. Bei Eheverträgen ist anerkannt, dass nicht nur die Situation bei Vertragsschluss überprüft werden kann, sondern auch, ob im Nachhinein eine Anpassung der vertraglichen Vereinbarungen an die tatsächliche Entwicklung der ehelichen Lebensverhältnisse erforderlich ist.

Das Lehrbuchbeispiel für einen bereits von Anfang an unwirksamen Ehevertrag ist derjenige der schwangeren Frau, die bis kurz vor der Ehe und dem Abschluss des Ehevertrags im Ausland gelebt hat und die deutsche Sprache kaum versteht. In dieser Situation wird die Frau – so die Ansicht der Gerichte – alles unterschreiben, was ihr der zukünftige Göttergatte vorlegt. Einen solchen Ehevertrag würde jedes Gericht als sittenwidrig und damit unwirksam in der Luft zerreißen. Auch ein Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag kann unwirksam sein, wenn sich der Verzichtende in einer besonderen persönlichen Situation befindet, die seine freien Entscheidungsmöglichkeiten einschränkt und der andere (der Erblasser) das dann auch noch auszunutzen weiß. Zu dem Ergebnis kommt man aber nicht erst über einen Vergleich zum Ehevertrag, sondern dies gilt nach allgemeinen Grundsätzen für jedes Vertragsverhältnis.

Eine solche Situation bei einem Erb- und Pflichtteilsverzicht hatte nun aktuell das Oberlandesgericht Hamm zur Entscheidung vorliegen (Urteil vom 08.11.2016 – 10 U 36/15):

Der Vater (Zahnarzt) hat einen Sohn, der bis zur Volljährigkeit bei der (geschiedenen) Mutter aufgewachsen ist. Die Schulkariere war nicht sonderlich erfolgreich und nach Abbruch der Schule begann er – wohl auf Veranlassung und auf Vermittlung des Vaters – eine Ausbildung zum Zahntechniker und lebte ab da auch beim ihm. Zu dieser Zeit legte sich der Vater für ca. 100.000,00 Euro einen schnittigen Sportwagen zu, der dem Sohn den Glanz in die Augen trieb. Wenige Tage nach dem 18. Geburtstag fuhr der Vater – ohne Vorankündigung und wohl mit dem Sportwagen – mit dem Sohn zu einem Notar, und vereinbarte mit ihm einen umfassenden Erb- und Pflichtteilsverzicht. Der Sohn erhielt nach dem Vertrag eine Gegenleistung bzw. Abfindung und zwar den bewunderten Sportwagen, aber nicht sofort, sondern er sollte ihn erst mit Vollendung des 25. Lebensjahres erhalten, aber auch nur, wenn er bis dahin nicht nur die Zahntechnikerausbildung geschafft, sondern auch den Zahntechnikermeistertitel mit einem „sehr guten“ Ergebnis erworben hätte. Nur dann hätte er den Wagen – der dann schon sieben Jahre alt gewesen wäre – erhalten.

Es kam wie es kommen musste: Mit der Ausbildung klappte es nicht und Vater und Sohn gerieten in Streit. Der Sohn klagte auf die Feststellung der Nichtigkeit des Erb- und Pflichtteilsverzichts.

Das OLG hielt den Erb- und Pflichtteilsverzichtsvertrag für nichtig, da nicht nur die besondere Situation im Hinblick auf den Sportwagen eine sittenwidrige Beeinflussung der Willensentscheidung des Sohnes bewirkt hätte, auch wäre er zudem durch die zusätzliche Bedingung der erfolgreichen Zahntechnikermeisterprüfung in seiner Berufswahl in missbilligender Weise beeinträchtigt worden. Dies hätte unzulässig in die Persönlichkeitsrechte des jugendlichen Klägers eingegriffen. Der Vater hätte zudem die Unerfahrenheit seines Sohnes ausgenutzt und ihm bewusst nicht die Gelegenheit gegeben, sich im Vorfeld mit dem Erb- und Pflichtteilsverzicht auseinanderzusetzen. Der Vater hätte offensichtlich nur den Eintritt der Volljährigkeit des Sohnes abgewartet, um dann schnellstmöglich den Erb- und Pflichtteilsverzicht zu vereinbaren.

Es stellt sich die spannende Frage, wie das Gericht entschieden hätte, wenn der Sohn keine Gegenleistung erhalten hätte oder diese jedenfalls nicht mit irgendwelchen Bedingungen versehen gewesen wäre. Hätte der Sohn einen unentgeltlichen Pflichtteilsverzicht mit ausreichendem Vorlauf und hinreichender Belehrung durch den Notar erklärt, wäre die Entscheidung des Gerichts wohl anders ausgefallen.

Gelegentlich wird aber auch gefordert, dass Erb- und Pflichtteilsverzichte grundsätzlich mit einer (adäquaten) Gegenleistung verbunden sein müssten. Eine solche Forderung lässt sich aber weder dem Gesetz entnehmen noch wäre das in der Sache gerechtfertigt. So ist es z.B. auch anerkannt, dass ein tatsächlich vereinbartes Entgelt für einen Erb- und Pflichtteilsverzicht nicht dem zu diesem Zeitpunkt sich rechnerisch ergebenden Erb- oder Pflichtteil entsprechen muss. Von daher ist auch weiterhin ein Erb- und Pflichtteilsverzicht zu null zulässig.

Es gilt für den Erblasser aber die Situation zu vermeiden, dass der Verzichtende entweder durch Täuschung oder Fehlinformation zu dem Verzicht veranlasst wird. Von daher ist ein Erblasser gut beraten, den Erb- und Pflichtteilsberechtigten nicht in Zugzwang zu setzen oder perfide emotionale Anreize zu machen. Ebenso sollte er keine falschen Vorstellungen wecken. Will er bspw. ein Entgelt zahlen, sollte er sich davor hüten, dies etwa als exakte Berechnung des Erb- und Pflichtteils zu deklarieren oder sein Vermögen offen zu legen. Besser ist es, ohne weitere Angaben ein Pauschalangebot zu machen. Stellt sich nämlich später heraus, dass die fiktive Pflichtteilsberechnung nicht richtig oder die Vermögensauskunft unvollständig war, könnte der Verzichtende den Erb- und Pflichtteilsverzicht später wegen Täuschung anfechten. Hat der Erblasser dagegen überhaupt nichts zu seinen Vermögensverhältnissen und damit zur Basis der Ermittlung der Gegenleistung gesagt, kann auch kein Irrtum darüber vorliegen und der Erb- und Pflichtteilsverzicht ist nicht angreifbar.

Die Entscheidung des OLG Hamm ist im Ergebnis richtig. Zu dem Ergebnis kommt auch das OLG aber nicht etwa dadurch, dass es eine Parallele zu Eheverträgen zieht. Die Sittenwidrigkeit ergab sich hier aus allgemeinen Grundsätzen. Man darf aus der Entscheidung auch nicht im Umkehrschluss schließen, dass Erb- und Pflichtteilsverzichte nur dann wirksam sind, wenn sie überhaupt gegen Entgelt, und auch nur gegen adäquates Entgelt abgegeben werden. Das hat auch das OLG nicht gefordert. Abgesehen davon, dass nach allgemeinen Regelungen das Zustandekommen eines jeden Vertrages nicht sittenwidrig sein darf, ist die Situation bei Ehevertrag und Erb- und Pflichtteilsverzicht nicht vergleichbar. Nach einem erklärten Erb- und Pflichtteilsverzicht gehen der Erblasser und der Pflichtteilsberechtigter in vermögensrechtlicher Hinsicht völlig getrennte Wege, während die Ehegatten ungeachtet des Ehevertrages über eine längere Zeit wirtschaftlich einander gekettet sind. Die Möglichkeiten zur eigenen wirtschaftlichen Entwicklung und zum Aufbau von Vermögen sind bei Ehegatten aufgrund der gemeinschaftlichen Lebensführung und ehelichen Lebensgemeinschaft vielfältig miteinander verbunden, während Erblasser und zukünftiger Erbe bzw. Pflichtteilsberechtigter völlig eigenständige Leben führen. Insoweit fehlt schon eine Vergleichsbarkeit.

Es bleibt aber festzuhalten, dass Sportwagen und Erb- und Pflichtteilsverzichte eine gefährliche Kombination sein können.

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