Verschmelzung statt Liquidation – eine Firmenbestattung mit Risiken

 

Die Liquidation einer GmbH ist zeit- und arbeitsaufwändig und nicht selten auch mit erheblichen Kosten verbunden. An einer Gesellschaft, die wirtschaftlich nicht erfolgreich ist oder ihren Gesellschaftszweck nicht erreichen kann, haben die Gesellschafter kein Interesse mehr. Dann ist meist auch kein Erwerber in Sicht, der guter Hoffnung ist, dem Unternehmen doch wieder Leben einhauchen zu können. Den Gesellschaftern steht die lästige Aufgabe der Liquidation bevor. In dieser Situation liegt die Idee einer Verschmelzung nahe, wenn es im Umfeld der Liquidationskandidatin Mutter-, Tochter- oder Schwestergesellschaften gibt, die sich als übernehmende Rechtsträger anbieten.

Die Verschmelzung führt zum kurzfristigen Erlöschen der Gesellschaft ohne Abwicklung. Ihr Vermögen geht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger über. Ein Liquidator wird nicht benötigt. Das komplizierte Verfahren der §§ 60 ff. GmbHG ist nicht einzuhalten und ein Sperrjahr muss nicht abgewartet werden. Mit einem knappen Verschmelzungsvertrag, der letzten Jahresbilanz, zwei Gesellschafterbeschlüssen und den passenden Handelsregisteranmeldungen ist die Verschmelzung komplett. Dieser auf den ersten Blick verlockend einfache Weg, die lästige GmbH-Leiche loszuwerden, kann für die Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft aber durchaus riskant sein, wie ein aktuelles Urteil des Zweiten Senats des Bundesgerichtshofs vom 6. November 2018 (AZ II ZR 199/17) zeigt. Was war passiert?

An der F-GmbH waren A mit 68% und B mit 32% beteiligt. Über ihr Vermögen wurde im April 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet. Im August 2011 war die G-GmbH, deren Alleingesellschafter A war, auf die F-GmbH verschmolzen worden. Zur Durchführung der Verschmelzung hatte die F-GmbH ihr Stammkapital erhöht und der neue Geschäftsanteil war A gewährt worden. Die G-GmbH war seit dem Abschluss des Verschmelzungsvertrages zahlungsunfähig und sowohl am Verschmelzungsstichtag als auch bei Abschluss des Verschmelzungsvertrages überschuldet. Diese Überschuldung der G-GmbH war der maßgebende Grund für die später eingetretene Insolvenz der F-GmbH. Diese war zu keinem Zeitpunkt in der Lage, die mit der Verschmelzung auf sie übergehenden Verbindlichkeiten der G-GmbH zu erfüllen.

Der BGH verneint zunächst - gegen eine von namhaften Stimmen in der Literatur vertretenen Auffassung - mit ausführlicher Begründung eine Differenzhaftung von A als Gesellschafter der G-GmbH. Bei einer Kapitalerhöhung zur Durchführung der Verschmelzung einer GmbH komme die Differenzhaftung ebenso wenig in Betracht wie bei der Verschmelzung einer Aktiengesellschaft. Die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers würden keine Kapitaldeckungszusage übernehmen. Diese lasse sich weder aus dem Verschmelzungsvertrag noch aus dem Verschmelzungsbeschluss ableiten. Anders als bei der "normalen" Kapitalerhöhung fallen im UmwG Inferent (übertragende Gesellschaft) und Bezugsberechtigter (Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers) auseinander. Außerdem schließe § 55 UmwG explizit die Anwendung des § 55 GmbHG auf die Verschmelzung aus. Eine Differenzhaftung der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft kann nach Einschätzung des Zweiten Senats auch nicht damit begründet werden, dass die Gesellschafter des übernehmenden Rechtsträgers nicht hinreichend gegen Überbewertungen des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers abgesichert seien. Das Gebot der realen Kapitalaufbringung diene in erster Linie den Interessen der Gesellschaftsgläubiger und des Rechtsverkehrs. Die Anteilseigner des übernehmenden Rechtsträgers seien auf andere Weise hinreichend geschützt. Sie könnten eine Verschmelzungsprüfung verlangen, für deren Richtigkeit die Verschmelzungsprüfer haften. Bei Fehlern der Bewertung des übertragenden Rechtsträgers seien sie mittelbar über die Organhaftung der Geschäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG geschützt.

Dann gelangt der BGH aber unter einem anderen Gesichtspunkt zu einer möglichen Haftung von A und B: In der Verschmelzung der überschuldeten G-GmbH auf die F-GmbH kann ein existenzvernichtender Eingriff liegen, der einen Anspruch aus § 826 BGB begründet. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts setzt dieser Haftungstatbestand keinen Abfluss von Vermögenswerten aus dem Gesellschaftsvermögen voraus. Der Entzug des Gesellschaftsvermögens kann nach Ansicht des Zweiten Senats auch durch die Erhöhung der Verbindlichkeiten bewirkt werden, wenn hierdurch zielgerichtet und zu betriebsfremden Zwecken die Haftungsmasse, die den Gläubigern zur Verfügung stehen soll, verkürzt wird. Aus Sicht der betroffenen Gläubiger stelle sich die Mehrung der Schulden nicht anders dar als der Entzug von Aktivvermögen.

Allerdings sei durch eine bloße Schädigung des Gesellschaftsvermögens das spezifische Merkmal der Sittenwidrigkeit, das den Tatbestand des existenzvernichtenden Eingriffs kennzeichnet, nicht erfüllt. Im zu entscheidenden Fall liege die Sittenwidrigkeit aber in der Missachtung des Prinzips der Trennung des Gesellschaftsvermögens vom Gesellschaftervermögen und der strikten Bindung des Gesellschaftsvermögens zur - vorrangigen - Befriedigung der Gläubiger. A und B hätten die Verbindlichkeiten der G-GmbH außerhalb eines geordneten Liquidationsverfahrens auf die F-GmbH verlagert und hierdurch deren Insolvenz versursacht. Mit der Verschmelzung hätten A und B einzig das Ziel verfolgt, dass A sich der Geschäftsanteile an der G-GmbH entledigt, weil deren Geschäftszweck endgültig gescheitert gewesen sei. Hierdurch sei die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung der F-GmbH herbeigeführt worden. Die Beklagten hätten das Prinzip der Vermögenstrennung und die Bindung des Vermögens der F-GmbH zur vorrangigen Befriedigung ihrer Gläubiger missachtet. Sie hätten die Verschmelzung als Gestaltungsmittel genutzt, um die Verbindlichkeiten der G-GmbH auf die F-GmbH zu verlagern. Der hier gewählte Weg sei eine bewusste Umgehung des vom Gesetz vorgesehenen Liquidationsverfahrens.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat die Sache an die Vorinstanz, das OLG Dresden, zurückverwiesen.

Fazit:

Eine Verschmelzung kann durchaus ein probater Weg sein, um eine aufwendige und langwierige Liquidation zu vermeiden. Auch eine sogenannte sanierende Verschmelzung kann in geeigneten Konstellationen einer Liquidation vorzuziehen sein. Voraussetzung ist aber immer die Schuldentragfähigkeit des übernehmenden Rechtsträgers. Wo begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Verschmelzung zur Existenzgefährdung oder zu schweren wirtschaftlichen Nachteilen für die übernehmende Gesellschaft führen kann, ist äußerste Vorsicht geboten. Anderenfalls kann die vermeintlich elegante Lösung als existenzvernichtender Eingriff weitreichende Haftungsfolgen für die Gesellschafter nach sich ziehen.

 

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