Von der Wiege bis zur Bahre, Formulare, Formulare!

Dieses berühmte Zitat gilt nicht nur für natürliche, sondern auch für juristische Personen. Es gilt von der Gründung bis zur Beendigung - und in dem Fall, dass zwei Unternehmen sich zusammentun wollen.

Die Zusammenschluss- bzw. Fusionskontrolle ist eine der drei Säulen des Kartellrechts. Als Strukturkontrolle unterscheidet sie sich von den anderen beiden Säulen, dem Kartellverbot und dem Missbrauchsverbot als Verhaltenskontrolle, dadurch, dass sie eine Mitwirkung der zusammenschlusswilligen Unternehmen erfordert. Diese Mitwirkung besteht in der Anmeldung des geplanten Zusammenschlusses bei der jeweils zuständigen Kartellbehörde. Für den deutschen Rechtsanwender kommen insofern insbesondere die Europäische Kommission und das Bundeskartellamt in Frage, deren Zuständigkeitsbereich sich vor allem anhand der jeweiligen Umsätze der Unternehmen definiert.

Eine Zusammenschlussanmeldung enthält nicht unbedeutende Fallstricke. Im Rahmen der Zusammenschlussanmeldung müssen die Unternehmen insbesondere Angaben zu ihrer jeweiligen Tätigkeit machen. Diese müssen nicht nur korrekt, sondern auch vollständig sein. Dies ergibt sich für die europäische Zusammenschlusskontrolle aus Art. 4 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 802/2004 und im deutschen Recht aus § 39 Abs. 1 GWB. Zuwiderhandlungen gegen diese Verpflichtung sind nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a FKVO und nach § 81 Abs. 4 Satz 5 GWB mit Bußgeldern belegt.

Bereits im Jahr 2017 verhängte die Europäische Kommission ein Bußgeld gegen Facebook in Höhe von EUR 110 Mio. wegen unrichtiger bzw. irreführender Angaben in der Anmeldung der Übernahme von WhatsApp.

Fall General Electric

Dass die Pflicht zu vollständigen und richtigen Angaben im Rahmen der Zusammenschlussanmeldung ernst zu nehmen ist, bekam nunmehr auch der US-amerikanische Maschinenbauer General Electric zu spüren. General Electric meldete im Januar 2017 bei der Europäische Kommission die geplante Übernahme des dänischen Unternehmens LM Wind an, eines Herstellers von Rotorblättern für Windkraftanlagen. Bei dieser Anmeldung gab General Electric an, keine Turbinen zu entwickeln, die über eine Leistung von 6 Megawatt hinausgehen. Es wurde hierbei jedoch offenbar (zunächst) übersehen, dass General Electric durchaus auch stärke Turbinen anbot. Diesen Fehler versuchte General Electric auszubügeln, indem es die Anmeldung zurückzog und den Zusammenschluss kurz darauf erneut anmeldete.

Dieses Vorgehen von General Electric, das ein wenig an das Verhalten eines Schülers erinnert, der seine Hausaufgaben fehlerhaft gemacht hat, nahm die Europäische Kommission nicht mit Humor. Sie hatte durch Befragungen anderer Unternehmen in der Zwischenzeit bereits Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Anmeldung erlangt und verhängte mit Entscheidung vom 08.04.2019 ein Bußgeld gegen General Electric in Höhe von immerhin EUR 52 Mio.

Die Europäische Kommission stufte diesen ausdrücklich fahrlässigen Verstoß im Rahmen der ersten Anmeldung als schwere Zuwiderhandlung ein, da er dazu geführt habe, dass ihr nicht alle für die Prüfung des Zusammenschlusses relevanten Informationen vorlagen. General Electric hätte die Bedeutung dieser Informationen nach Auffassung der Europäischen Kommission zudem erkennen müssen, weil sie mit General Electric wegen der in Entwicklung befindlichen Produkte von General Electric auf dem betreffenden Markt in ständigem Kontakt stand.

Bußgeldrahmen bei Fehlern in der Anmeldung

Die Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission zeigt, dass bei unrichtigen Angaben durchaus mit ernstzunehmenden Bußgeldern zu rechnen ist. Beim Bußgeldrahmen ist zunächst zu unterscheiden, ob der Zusammenschluss bei der Europäischen Kommission angemeldet wurde oder beim Bundeskartellamt.

Auf europäischer Ebene sieht Art. 14 Abs. 1 Buchst. a FKVO einen Bußgeldrahmen von bis zu 1% des weltweiten Jahresumsatzes der Unternehmen vor. Unbedingt zu beachten ist, dass der Umsatz des gesamten Konzerns betrachtet wird und nicht nur der handelnden juristischen Person. Zu welchen Summen ein derartiger Bußgeldrahmen bei großen Konzernen führen kann, lässt sich leicht ausrechnen.

Der Bußgeldrahmen nach § 81 Abs. 4 Satz 5 GWB ist zwar wesentlich zurückhaltender. Er beträgt lediglich EUR 100.000,00. Jedoch kann sich das Bußgeld gegen das Unternehmen nach § 30 Abs. 2 Satz 3 OWiG und § 130 Abs. 3 Satz 2 OWiG wiederum auf das zehnfache dieses Betrags erhöhen. Er kann also immerhin EUR 1 Mio. betragen.

Ergebnis

Derartige Bußgelder sind in höchstem Grade unnötig. Ganz offenbar handelte General Electric nicht in der Absicht, die Europäische Kommission zu täuschen. Die Europäische Kommission genehmigte den Zusammenschluss bereits im Vorprüfverfahren, sodass davon auszugehen ist, dass er fusionskontrollrechtlich keine besonderen Schwierigkeiten aufwarf. General Electric hätte also überhaupt kein Motiv gehabt, absichtlich falsche Angaben zu machen.

Der Fall zeigt, dass Zusammenschlussanmeldungen nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollten, weil Fehler die anmeldenden Unternehmen teuer zu stehen kommen können. Insofern ist insbesondere eine gute und flüssige Kommunikation zwischen Unternehmen und den Rechtsanwälten, die die Zusammenschlussanmeldungen entwerfen, erforderlich.