Wenn die Konkurrenz pleite ist, klingelt die Kasse

Das Bundeskartellamt hat sich in einem Fallbericht vom 29.05.2018 mit der Frage eines Preishöhenmissbrauchs bei plötzlich stark ansteigenden Preisen auseinandergesetzt und es abgelehnt, ein Verfahren gegen die Lufthansa einzuleiten.

Hintergrund

Zieht ein Unternehmen, das eine marktbeherrschende Position innehat, plötzlich die Preise seiner Waren oder Dienstleistungen an, liegt intuitiv ein Ausbeutungsmissbrauch i.S.d. § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB durch überhöhte Preise nahe. Ist der Fall besonders medienwirksam, geht dann meist ein Aufschrei durch die Öffentlichkeit, so geschehen im letzten Jahr im Lufthansa-Fall. Vergleichsmaßstab für die Feststellung von Ausbeutung sind grundsätzlich die Preise, die sich bei hypothetischem Wettbewerb ergeben würden. Diese müssen nach der Rechtsprechung des BGH erheblich überschritten werden, um missbräuchlich zu sein.

Sachverhalt

Nachdem die Fluglinie Air Berlin im vergangenen Oktober den Flugbetrieb wegen Insolvenz eingestellt hatte, brachen die Sitzplatzkapazitäten auf einigen innerdeutschen Strecken um bis zu 40% ein. Zugleich stiegen die Ticketpreise für viele Flugverbindungen der konkurrierenden Lufthansa vorübergehend um bis zu 50% an. Erst mit Neueintritt der Fluglinie easyJet in den deutschen Markt ab Dezember 2017 pendelten sich die Preise wieder auf einem normalen Niveau ein.

Entscheidungsgründe

Das Bundeskartellamt geht nicht von einem Preishöhenmissbrauchs i.S.d. § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB durch die Lufthansa aus. Das Amt betonte, dass "die Schwelle der Missbräuchlichkeit nur bei einem erheblich überhöhten Preis überschritten" sei. Dies sei im Fall der Lufthansa aber noch nicht geschehen, zumal durch den Wegfall von Air Berlin ein Kapazitätseffekt vorgelegen habe. Den durch diese Kapazitätseinbuße bewirkten Unsicherheiten bei der Preisbildung müsse durch angemessene Korrekturzuschläge Rechnung getragen werden.

Als nicht tragfähig lehnte das Bundeskartellamt allerdings die Argumentation ab, dass die Preise durch einen Algorithmus gebildet werden und starke Preiserhöhungen daher nicht auf menschliches Handeln zurückgingen. Marktbeherrschende Unternehmen können sich nach Ansicht des Kartellamtes nicht durch den Einsatz von Algorithmen ihrer Verantwortung entziehen. Gerade auch im Flugverkehr wird die Preisbildung ohnehin nicht vollständig einem einheitlichen Algorithmus überlassen, sondern es findet zugleich ein aktives Management statt, insbesondere bei Sonderereignissen.

Fazit

Die Entscheidung des Bundeskartellamtes ist eine Entlastung für alle Unternehmer, deren Waren oder Dienstleistungen einer dynamischen Preisgestaltung unterliegen. Es ist ihnen trotz des Maßstabs des hypothetischen Wettbewerbspreises nicht vollständig untersagt, auf plötzliche Schwankungen von Angebot oder Nachfrage zu reagieren und den Preis entsprechend anzupassen. Jedoch ist Vorsicht bei der Verwendung von Preis-Algorithmen geboten, da das Bundeskartellamt ausdrücklich darauf hinwies, dass ein Preis-Algorithmus Unternehmen nicht von der Pflicht entbinde, das Verbot des Preismissbrauchs einzuhalten. Die Unternehmen können sich also nicht hinter dem (ihrem eigenen) Algorithmus "verstecken".

Auf einer anderen Ebene bestätigt die Entscheidung des Kartellamtes, kein Verfahren zu eröffnen, ob gewollt oder ungewollt, die durchaus berechtigte grundsätzliche Kritik an einer Preiskontrolle. Im Zurückschrecken vor der Eröffnung eines Verfahrens zeigt sich die grundlegende Problematik, dass derartige Marktergebniskorrekturen kaum praktisch durchführbar sind. Der hypothetische Wettbewerbspreis ist kaum zu ermitteln, weswegen ein Korrekturzuschlag erforderlich gewesen wäre.

Zudem gibt der Fall Anlass, darauf hinzuweisen, dass Marktergebniskorrekturen durchaus auch schädliche Folgen haben können. Gerade die sich bereits im Vorfeld der Einstellung von Air Berlin abzeichnenden Preiserhöhungen durch die Lufthansa waren eine Einladung an andere Fluglinien in den deutschen Markt einzusteigen, die bspw. durch easyJet auch dankend angenommen worden ist. Werden Monopolisten zu niedrigen Preisen gezwungen, erschwert dies den Markteintritt von Wettbewerbern.

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