Wer braucht heute noch Datenschutz, wenn es Schokolade gibt?

Die etwas provokative Frage hat einen ernsten Hintergrund: Denn während der Gesetzgeber das Datenschutzrecht unlängst drastisch "nachgeschärft" hat (EU-Datenschutz-Grundverordnung), scheint Datenschutz für den Betroffenen eine zunehmend geringere Rolle zu spielen. Subjektiv beschleicht einen dieses Gefühl schon seit Längerem. Während mancher Datenschützer die Verarbeitung personenbezogener Daten mitunter als Werk des Teufels anzusehen scheint, interessiert das die Nutzer sozialer Medien zunehmend wenig. Mitunter findet sich der Alltag des Einzelnen minutiös dokumentiert auf Facebook, Twitter & Co. - einschließlich Bewegungsprofil, kulinarischen und sonstigen Vorlieben.

Schokolade gegen Passwort

Vor diesem Hintergrund verwundert also nicht, worüber SPIEGEL Online nun berichtet: In einer Studie waren knapp 50% der Teilnehmer dazu bereit, ihr Passwort herauszugeben, wenn ihnen zuvor eine Tafel Schokolade(!) geschenkt wurde. Die Autoren der Studie schlussfolgern:

Sie zeigen, dass viele von uns den Herausforderungen unseres Informationszeitalters noch nicht gewachsen sind. Deshalb muss das Wissen um Gefahren und Konsequenzen unseren digitalen Handelns in den Fokus unserer gesellschaftlichen Mediendebatte rücken.

Diese Schlussfolgerung verwundert indes. Denn an öffentlicher Debatte um die Folgen digitalen Handelns herrscht nun wahrlich kein Mangel. Vielmehr scheint sich bei Vielen schlicht eine gewisse Gleichgültigkeit eingestellt zu haben. So lässt die Studie auch die Schlussfolgerung zu, dass die Probanden der Sicherheit und dem Schutz persönlicher Daten nicht die Bedeutung zumessen, die die Urväter des Bundesdatenschutzgesetzes historisch im Sinn hatten (zu dem Gesetzesmaterialien hier). Wenn man so will, entfernt sich der Regulierungsansatz des Gesetzgebers von dem Bedrohungsempfinden derjenigen, die eigentlich geschützt werden sollen. Und wirft die Frage auf, ob es opportun erscheint, einem Betroffenen Schutz aufzudrängen, den dieser offenbar gar nicht (mehr) für notwendig erachtet.

Misstrauen in die Privatautonomie

Dahinter steckt in Wahrheit eine gehörige Portion Misstrauen in die Privatautonomie des Einzelnen, die doch eigentlich durch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gestärkt werden soll. Der Gesetzgeber glaubt - nicht zum ersten Mal - besser zu wissen, welchen Schutz vor Datenverarbeitung der Bürger benötigt. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass mehr Regulierung nicht unbedingt mehr Schutz und Sicherheit bedeutet, sondern auch zu Ermüdungserscheinungen führen kann. Dem Gesetzgeber sollte dies ein Menetekel sein.

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