Zur Nichtigkeit eines Einziehungsbeschlusses bei der GmbH

In einer aktuellen Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) zu der Frage Stellung genommen, ob eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) gehalten ist, stille Reserven zu realisieren, um den das freie Vermögen der GmbH übersteigenden Abfindungsanspruch eines Gesellschafters nach Einziehung seines Geschäftsanteils befriedigen zu können.

Entgegen der Entscheidung der Vorinstanz hat der BGH dies nunmehr mit Urteil vom 26.06.2018 (Az.: II ZR 65/16) unter Berufung auf den in der GmbH vorherrschenden Grundsatz der Kapitalerhaltung verneint und den Einziehungsbeschluss für nichtig erklärt. Der amtliche Leitsatz der Entscheidung lautet wie folgt:

Steht im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Einziehung eines Geschäftsanteils fest, dass das freie Vermögen der Gesellschaft zur Bezahlung des Einziehungsentgeltes nicht ausreicht, ist der Einziehungsbeschluss auch dann nichtig, wenn die Gesellschaft über stille Reserven verfügt, deren Auflösung ihr die Bezahlung des Einziehungsentgeltes ermöglichen würde.

Worum ging es?

Die Klägerin war ursprünglich Gesellschafterin der Beklagten mit einem Geschäftsanteil in Höhe von 25 % des Stammkapitals. Mit Gesellschafterversammlung vom 26.06.2000 beschloss die Beklagte, den Geschäftsanteil der Klägerin wegen der Verletzung von Gesellschafterpflichten einzuziehen. Eine solche Einziehungsmöglichkeit war im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorgesehen.

Am 21.12.2000 erhielt die Klägerin von der Beklagten eine Abfindungszahlung in Höhe von 60.000,00 DM (30.933,16 €). Die Klägerin verlangte in der Folge wegen ihres Ausscheidens aus der Gesellschaft jedoch die Zahlung einer weiteren Abfindung von insgesamt 167.680,84 €.

Nach einem gerichtlichen Sachverständigengutachten bestand im Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses bei der Beklagten ein freies Vermögen in Höhe von 82.829,00 €. Die stillen Reserven der Beklagten beliefen sich dagegen nach den Feststellungen des Sachverständigen auf 393.251,00 €.

Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts sei der Geschäftsanteil der Klägerin 231.750,00 € wert gewesen, sodass der nach der Anrechnung der bereits bezahlten 30.933,16 € verbleibende Abfindungsanspruch jedenfalls den eingeklagten Betrag von 167.680,84 ausmache. Der Einziehungsbeschluss sei auch nicht nichtig, da die Beklagte für den Abfindungsanspruch die stillen Reserven hätte realisieren können.

Die Entscheidung des BGH

Dem ist der BGH nun mit Urteil vom 26.06.2018 entgegengetreten. Einleitend stellt der BGH in seiner Entscheidung klar, dass nach der ständigen Rechtsprechung ein Einziehungsbeschluss entsprechend § 241 Nr. 3 AktG nichtig sei, wenn bereits bei Beschlussfassung feststehe, dass das Einziehungsentgelt nicht aus freiem, die Stammkapitalziffer nicht beeinträchtigenden Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden könne.

Dies sei angesichts der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und angesichts des freien Vermögens von 82.829,00 € vorliegend unstreitig der Fall gewesen.

Etwas anderes könne sich - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - auch nicht daraus ergeben, dass die Beklagte über ausreichende stille Reserven verfügt habe, deren Auflösung für sie zumutbar gewesen sei. Schließlich diene die hier in Rede stehende Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Einziehungsbeschlusses - die Zahlung der Abfindung aus freiem Vermögen der Gesellschaft - in Anwendung der § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 3 GmbHG dem Grundsatz der Kapitalerhaltung und damit dem Schutz der Gesellschaftsgläubiger.

Für das im Gläubigerinteresse bestehende Auszahlungsverbot nach § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 3 GmbHG gelte eine bilanzielle Betrachtungsweise. Auszahlungen an (ausgeschiedene) Gesellschafter dürften nicht zur Entstehung oder Vertiefung einer Unterbilanz führen. Deren Vorliegen bestimme sich nicht nach den Verkehrswerten, sondern nach den Buchwerten einer stichtagsbezogenen Handelsbilanz, sodass stille Reserven demnach keine Berücksichtigung fänden.

Die bloße Möglichkeit einer Auflösung stiller Reserven stehe einer hinreichenden Ausstattung der Gesellschaft mit ungebundenem Vermögen nicht gleich. Zwischen den durch § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 3 GmbHG begrenzten Zahlungspflichten der Gesellschaft gegenüber einem ausgeschiedenen Gesellschafter und den auf dem Gesellschaftsverhältnis beruhenden Pflichten der Mitgesellschafter, die das Kapitalerhaltungsgebot nicht berühren, sei strikt zu unterscheiden.

Selbst nach einem wirksam gefassten Einziehungsbeschluss sei die Gesellschaft gemäß § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 3 GmbHG an einer späteren Bezahlung der Abfindung gehindert, soweit sie nicht aus freiem Vermögen geleistet werden könne. Das Vorhandensein stiller Reserven ändere hieran nichts.

Zusammenfassung und Folgen für die Gesellschafter

Der BGH stellt damit noch einmal ausdrücklich klar, dass ein Einziehungsbeschluss entsprechend § 241 Nr. 3 AktG immer dann nichtig ist, wenn im Zeitpunkt der Beschlussfassung das freie Vermögen der Gesellschaft zur Bezahlung des Einziehungsentgeltes nicht ausreicht. Auch das Vorhandensein stiller Reserven ändert wegen des Grundsatzes der Kapitalerhaltung nichts an diesem Ergebnis.

Für den Fall, dass der Einziehungsbeschluss wirksam ist, sich das freie Vermögen aber später als unzureichend erweist und die Gesellschaft daher die geschuldete Abfindung wegen der Sperre aus § 30 Abs. 1, § 34 Abs. 3 GmbHG nicht auszahlen darf, bestehe laut BGH jedoch ein Bedürfnis für eine persönliche Haftung der anderen Gesellschafter, die dann unter bestimmten Umständen - z.B. weil sie eine Auflösung stiller Reserven treupflichtwidrig unterlassen haben - zur anteiligen Zahlung der Abfindung verpflichtet sein können.

Ist dagegen wie im Streitfall der Einziehungsbeschluss nichtig, bleibt nach dem BGH auch kein Raum für eine subsidiäre Haftung der anderen Gesellschafter. Im Hinblick auf ein berechtigtes Interesse des betroffenen Gesellschafters daran, an einem Ausscheiden aus der Gesellschaft nicht dauerhaft gehindert zu sein, können die anderen Gesellschafter aber aus Treuepflicht gehalten sein, Maßnahmen zu ergreifen, die ein Ausscheiden ermöglichen. So können sie etwa verpflichtet sein, auf eine Auflösung stiller Reserven hinzuwirken.

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